Sonntag, 26. Februar 2012

19.10.2011 – 23.12.2011: Quer durch Argentinien bis ans „Ende der Welt“


20.10.2011 – In der argentinischen Schweiz - Kampf gegen die Vulkanasche

Das argentinische Seengebiet zählt zu den landschaftlich schönsten Gegenden des Landes, nicht umsonst wird es auch als die Schweiz Argentiniens bezeichnet. Dichte Wälder, tiefblaue Seen, schneebedeckte Berge und die dieser Landschaft angepasste Architektur waren die Gründe, dass sich diese Region zu den beliebtesten touristischen Zielen Argentiniens entwickelte - bis der Ausbruch des Vulkans Puyehue alles unter einer dichten Ascheschicht begrub.

Wir fuhren nach San Carlos de Bariloche, dem touristischen Zentrum der Region. Die Stadt liegt am malerischen Lago Nahuel Huapi, umgeben von erhabenen Andengipfeln. In der Innenstadt hatte man mit viel Aufwand die Asche weitestgehend entfernt - aber der starke Wind trug immer wieder neuen Staub in die Stadt. Die meisten Einheimischen trugen einen Mundschutz. Wir schützten uns auch, soweit möglich, vor dieser verschmutzten Luft, trotzdem fiel uns das Atmen schwer. Wir hatten geplant, einige Tage in Bariloche zu verbringen, aber dann waren wir froh, die Stadt nach einer kurzen Stadtbesichtigung wieder verlassen zu können.

Westlich von Bariloche liegt die Halbinsel Llao Llao, auf der sich das gleichnamige, 1936 erbaute Luxushotel wunderbar in die Landschaft einfügt. Im Garten des Hotels war alles grün. Tag und Nacht laufende Wassersprenger hatten die Ascheschicht in den Boden eingeschwemmt. Wie viele Jahre wird es in den Wäldern dauern, bis der Regen auch dort die Spuren des Vulkanausbruchs beseitigt haben wird?

Die schlimmste Situation fanden wir in Villa Angostura vor. Der schöne gepflegte Ferienort am Nordufer des Lago Nahuel Huapi wirkte auf uns wie nach einer Schneekatastrophe. Alles lag unter einer dicken grau-weißen Schicht. Überall waren die Bewohner aktiv. Sie schaufelten in ihren Gärten, auf den Straßen, den Wegen und in den schönen Parks die Asche zusammen. Mit großen Kippern wurde sie dann vor die Stadt gefahren und dort abgelagert. Wie viele von den seltenen Myrtenbäumen im Nationalpark Los Arrayanes nachhaltig geschädigt wurden, war noch nicht abzuschätzen.

Auf der Straße der sieben Seen zwischen Villa Angostura und San Martin de los Andes, normalerweise ein landschaftlicher Höhepunkt der Region, sah es ähnlich schlimm aus. Die Schönheit der Natur mit ihren Wäldern, Seen und Wasserfällen war nur mit viel Fantasie zu erkennen, der allgegenwärtige Staub und die Asche machten die Fahrt auf dieser Panoramastraße für uns zur Tortur. Selbst die Seen waren mit großen Teppichen aus Vulkansteingranulat bedeckt. Erst in San Martin de los Andes besserte sich die Situation.

Die schöne Kleinstadt am Ufer des Lago Lacar ist als Urlaubsort bei wohlhabenden Argentiniern beliebt. Viele chaletartige Gebäude, meist Hotels oder Restaurants, prägen das Bild dieser Stadt. Doch außer diesem alpenländischen Stadtcharakter hat San Martin nicht all zu viel zu bieten. Dass wir trotzdem drei Tage dort verbrachten, lag an der Gastfreundschaft von Clara und Gonzalo. Wir hatten uns am Abend einen ruhigen Stellplatz in einer Nebenstraße gesucht und standen über Nacht direkt vor ihrem Grundstück. Am Morgen kam Clara zu uns ans Wohnmobil, begrüßte uns herzlich und lud uns zum Dinner ein. Wir haben uns auf Anhieb mit dem jungen Paar gut verstanden, zumal wir genügend Gesprächsstoff hatten. Clara und ihr Mann Gonzalo waren erst vor wenigen Wochen von ihrer dreimonatigen Hochzeitsreise im gemieteten Wohnmobil durch Europa zurückgekommen. Wir hatten einen tollen gemeinsamen Abend. Ungewohnt für uns war das späte und reichhaltige Essen. Argentinier essen frühestens ab 21:00 Uhr, auch die Gaststätten öffnen am Abend erst um diese Zeit. Es wurde schon langsam hell, als wir dann in unserem Wohnmobil in einen tiefen Schlaf fielen.

Aus dem einen Abend wurden dann zwei Tage, die wir mit dem netten Paar verbrachten. Immer wieder baten sie uns, unsere Abfahrt noch einmal zu verschieben. Dann bot uns Gonzalo noch sein Ferienhaus am Atlantik an. Es steht in Cariló, einem kleinen Küstenort, und ist außerhalb der Hochsaison unbenutzt. Dort könnten wir doch einige Tage mit unserer Tochter verbringen, meinet er - natürlich kostenlos. Wir waren erst einmal sprachlos über so viel Freundlichkeit und Vertrauen und versprachen, auf alle Fälle nach Cariló zu fahren, wenn wir an der Küste sind.

Nach einer herzlichen Verabschiedung starteten wir unser Wohnmobil und fuhren stadtauswärts. Noch lange standen wir unter dem tiefen Eindruck, den diese Menschen mit ihrer Offenheit und Gastfreundschaft bei uns hinterlassen haben und wir stellten uns die Frage, ob so etwas in Deutschland auch möglich wäre.

10.11.2011 – San Rafael und Mendoza - Weinanbau, soweit das Auge reicht

Wir waren auf dem Weg nach Buenos Aires und hatten noch drei Wochen bis unsere Tochter dort ankommen wird. Das war genügend Zeit und so haben wir, einem Rat von Gonzalo folgend, die längere Strecke über Mendoza und Córdoba gewählt. Anfangs war die Fahrt noch interessant, sie führte uns zum Nationalpark Lanín und entlang des Río Limay bis nach Neuquén. Danach gab es bis San Rafael fast keine landschaftliche Abwechslung mehr. Wir fuhren 700 Kilometer über flaches Land und sahen keine Siedlung, keine Menschen, nur ganz selten kam uns ein Auto entgegen. Die ausgedörrten Weiden entlang der Straße waren eingezäunt, sie gehörten zu riesigen Estancias. Schafe und Rinder standen inmitten der Dürre und suchten nach etwas frischem Grün. Die Tiere sind sich fast das ganze Jahr selbst überlassen. Die Größe dieser Estancias wird nicht in Hektar gemessen, sondern in der Anzahl Rinder oder Schafe, die das Land ernährt.

Kurz vor San Rafael bogen wir ins Valle Grande ab. Hier ist eine Tourismus-Hochburg entstanden. Entlang des Rio Aturel lagen Campingplätze, Hostels und einfache Backpackerunterkünfte. Die meist jungen Touristen verbrachten ihre Zeit mit Rafting und Kanufahren auf dem Fluss, der jedoch so ruhig dahinfloss, dass er kaum eine Herausforderung darstellte. Wir wollten eher die Schönheiten des Cañón de Atuel, abseits der lärmenden Touranbieter, erleben. Auf ruhigen Wegen haben wir das Tal durchwandert und wurden mit herrlichen Panoramen dieser ungezähmten Flusslandschaft belohnt. Die durch Wasser und Erosion geformten Felsen leuchteten farbig in der Abendsonne.

Die weitere Fahrt bis Mendoza führte uns durch riesige Obst- und vor allem Weinplantagen. Das Klima ist ideal für den Weinanbau, 70 Prozent des argentinischen Weines, der zunehmend auch international gefragt ist, kommen aus dieser Gegend. So angenehm und grün wie das Umland präsentiert sich auch Mendoza selbst. 1861 wurde die Stadt durch ein schweres Erdbeben völlig zerstört und dann mit breiten Prachtstraßen, weitläufigen Plazas und vielen Grünflächen wieder aufgebaut. Was in erster Linie dem Schutz von Menschen und Gebäuden dienen sollte, ließ eine der schönsten Städte Argentiniens entstehen. Obwohl es wenig Sehenswürdigkeiten und kaum historische Gebäude gibt, hat die Stadt trotzdem einen malerischen Charme, der nicht zuletzt auf die gepflegten Parkanlagen und die von unzähligen Schatten spendenden Bäumen gesäumten Straßen zurückzuführen ist. Man sagt, in Mendoza stehen mehr Bäume, als die Stadt Einwohner hat.

Am Rande der Stadt liegt der weitläufige Park San Martin mit vielen Freizeitmöglichkeiten, einem Zoo, einem Amphitheater, mehreren Seen, dem großen Fußballstadion und dem einzigen Campingplatz in Stadtnähe. Obwohl der Preis von 25 € für diesen einfachen Übernachtungsplatz auch für argentinische Verhältnisse sehr hoch war blieb uns trotzdem keine andere Wahl. Wir hatten uns angewöhnt, unser Wohnmobil in größeren Städten nie unbeaufsichtigt abzustellen. Unser Stadtbummel war dann recht schnell beendet, als sich der Himmel verdunkelte und ein Unwetter aufkam. Mit einem Taxi schafften wir es gerade noch rechtzeitig bis zum Wohnmobil und konnten die Dachluken schließen, bevor das Gewitter mit wolkenbruchartigen Regen niederging. Die ganze Nacht schüttete es wie aus Eimern und am nächsten Morgen war die Versorgung des Parks zusammengebrochen. Kein Strom, kein Wasser und damit auch keine Duschen und ein völlig überschwemmter Campingplatz. Als wir diesbezüglich beim Pächter des Platzes nachfragten, wurden wir unfreundlich aufgefordert den Campingplatz bis 13:00 Uhr zu verlassen. Das ging uns dann doch etwas zu weit. Wir stellten ihn vor die Alternative, uns die halbe Campingplatzgebühr zurückzuzahlen oder uns einen zusätzlichen Tag kostenlos auf dem Platz zu gewähren. Der Pächter, ein unsympathischer schmuddeliger Typ, ließ nicht mit sich reden und drohte uns mit der Polizei. Gut, dann sitzen wir es eben aus. In aller Ruhe haben wir gekocht, gegessen und es uns dann für einen langen trüben Nachmittag bequem gemacht. Statt der Polizei kam dann der Pächter und bot uns eine Rückzahlung von 100 Pesos an, das sind fast 20 €, wenn wir den Platz sofort verlassen. Wir waren innerlich schon etwas stolz, dass wir den kleinen Machtkampf gewonnen hatten und packten schnell zusammen. Nichts hielt uns jetzt mehr. Erst beim nächsten Einkauf in einem kleinen Supermarkt wurde uns klar, dass wir die Dummen waren. Der 100-Pesoschein war Falschgeld. Für uns sah er echt aus, mit Wasserzeichen und Silberstreifen, aber die Verkäuferin hat ihn uns sofort zurückgegeben. An einer Tankstelle haben wir es noch mal versucht, aber auch hier wurde der „Falsche“ sofort erkannt. „Dann ist es eben ein Reiseandenken“ sagte ich und legte den Schein in mein Tagebuch.

Zwei Monate später trafen wir Didi und Susanne, ein Schweizer Paar mit drei Jahren Reiseerfahrung in Südamerika - aber nicht nur positiven. Vor einem Jahr wurden sie auf diesem Campingplatz in Mendoza nachts in ihrem Auto überfallen, lebensgefährlich verletzt und ausgeraubt. Wir wollten es nicht glauben, bis sie uns die Narben von den Messerstichen und die Schäden an ihrem Sprinter zeigten - ein Albtraum. Nach Mendoza, dieser schönen Stadt, werden die zwei Schweizer wohl nicht mehr fahren - und wir nach ihren Schilderungen auch nicht.

17.11.2011 – Rund um Córdoba - argentinische Geschichte und deutsche Tradition

Westlich von Córdoba erstreckt sich die Sierra de Córdoba, einer Gebirgskette, die mit dem höchsten Gipfel, dem Cerro Champaqui, sogar 2884 m erreicht. Von Osten steigt das Gebirge sanft an, um dann nach Westen hin wieder steil abzufallen. Genau von dort erreichten wir die Gebirgskette und fuhren über steile Serpentinen bis Mina Clavero. Durch seine zentrale Lage in der Sierra Córdoba und sein angenehmes Klima in 915 m Höhe hat sich der kleine Ort schnell zu einem gefragten Touristenzentrum entwickelt. Besonders seine Lage am Rio Pichana, der sich teilweise tief in den Fels eingeschnitten hat und wild durch diese Canyons fließt, verleiht der Stadt einen einmaligen Reiz. Natürlich ist all das vorhanden, was Argentinier für einen gelungenen Urlaub brauchen: Restaurants aller Preisklassen, Diskotheken, Bars, unzählige Shops und ein großes Spielkasino. Direkt am Flussufer fanden wir einen geeigneten Stellplatz für die Nacht. Gegen 22:00 Uhr klopfte es an unser Wohnmobil und zwei Polizisten standen vor der Tür. Jetzt werden wir bestimmt weggeschickt, war unser erster Gedanke - aber die Polizisten stellten sich freundlich vor und sagten uns, dass sie im Ort Streife fahren und sich für unsere Sicherheit verantwortlich fühlen. Sie würden in der Nacht regelmäßig bei unserem Stellplatz patrouillieren. Mit einem freundlichen „buenas noches“ verabschiedeten sie sich und fuhren in ihrem Streifenwagen davon. Obwohl wir uns in diesem kleinen Ort nicht unsicher fühlten, freuten wir uns über diese nette Geste, die wir übrigens schon mehrfach erlebt haben.

Unsere weitere Fahrt führte uns, vorbei an Stauseen, wilden Flüssen und Wasserfällen, immer weiter in die Córdobaberge hinein. Von den Bergpässen hatten wir tolle Ausblicke auf die umliegenden Täler und am Horizont sahen wir die Millionenstadt Córdoba. Wir entschieden uns jedoch, nicht nach Córdoba zu fahren und bogen stattdessen in südliche Richtung nach Alta Gracia ab. Der kleine Ort wird in allen Reiseführern als einer der geschichtsträchtigsten und angenehmsten Orte der Provinz Córdoba beschrieben. Man plante in den letzten Jahren sogar, den Sitz der Provinzregierung von Córdoba nach Alta Gracia zu verlegen. Ob dies der kleinen historischen Stadt gut getan hätte, ist fraglich. Ihr Charme liegt gerade in der Ruhe und Beschaulichkeit, mit der das Leben hier abläuft. Der Ort entstand um eine bereits 1588 gegründete Estancia, die 1643 von den Jesuiten übernommen und ständig erweitert wurde. Heute ist sie das Herzstück der Stadt und der kulturelle Mittelpunkt. Die Schönheit der Stadt zog viele berühmte Persönlichkeiten an, vom Vizekönig Santiago de Liniers bis zum spanischen Komponisten Manuel de Falla. Letzterem wurde ein Museum gewidmet, wobei der wohl bekannteste Einwohner der Stadt sich auf einem ganz anderen Terrain bewegte. Ernesto Guevara, besser bekannt als Che Guevara, verbrachte hier seine Kindheit und Jugend. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Guevara, die Villa Beatriz, wurde zum Museo Casa Ernesto „Che“ Guevara umgebaut. Neben vielen Originaldokumenten, Zeugnissen und Fotos, besitzt das Museum auch sein motorisiertes Rennrad und sein erstes Motorrad, mit dem er als Jugendlicher Südamerika bereiste.

Nach zwei ruhigen Tagen in dieser wundervollen Stadt erlebten wir in Villa General Belgrano das totale Kontrastprogramm. 1932 von deutschen Auswanderern gegründet ist Villa General Belgrano heute in Argentinien berühmt für „deutsche Gemütlichkeit„ - mit Wiener Schnitzel, Bratwurst und Sauerkraut, Apfelstrudel, Dresdner Stollen und viel Bier. In den kleinen Brauereien wird gutes Bier gebraut und in zahlreichen Biergärten ausgeschenkt. Bis weit in die Nacht wurde hier getrunken, gefeiert und manchmal auch gesungen. Jedes Jahr im Oktober erlebt die Stadt ‚den Höhepunkt’. Dann wird hier das größte Bierfest des Landes gefeiert. Es ist das größte Oktoberfest außerhalb Münchens. Etwas enttäuscht waren wir dann doch, als wir den Versprechungen der Speisekarte vertraut haben und die deutschen Spezialitäten Nürnberger Bratwürste und Kassler auf Sauerkraut bestellten. Vieles von der deutschen Tradition ist wohl schon verloren gegangen - übrigens auch die Sprache. In Villa General Belgrano wurde kaum noch Deutsch gesprochen.

27.11.2011 – Buenos Aires - Weltstadt mit Charme und Gegensätzen

Über Buenos Aires wird geschrieben, dass es eine der spannendsten und elektrisierendsten Städte Südamerikas ist. Besonders der Gegensatz zwischen den modernen und piekfeinen Stadtgebieten wie Recoleta oder das am Hafen neu entstandene Puerto Madero und den gewachsenen Arbeitervierteln San Telmo oder La Boca könnte größer nicht sein. Unser Reiseführer beschreibt diese Situation mit den Worten „Hier trifft die Raffinesse eines geschliffenen Diamanten auf den zweifelhaften Charme eines unrasierten Casanovas“. Wir waren gespannt auf diese Stadt und gleichzeitig etwas unsicher - Buenos Aires ist nicht nur das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum, sondern auch die kriminelle Hochburg Argentiniens. Sicher mussten wir hier weniger mit Gewaltkriminalität rechnen als in einigen der schon von uns bereisten Länder, aber Trickbetrug, Diebstähle und Autoeinbrüche sind an der Tagesordnung. In Buenos Aires gibt es kaum sichere Stell- oder Campingplätze und so waren wir froh, dass wir von anderen Reisenden den Parkplatz am Fährterminal empfohlen bekamen, wo wir mit dem Wohnmobil auch über Nacht stehen könnten. Auf der Fahrt in die Stadt sahen wir die ersten Gegensätze zwischen Arm und Reich. Direkt neben der neuen Stadtautobahn, teilweise sogar zwischen den getrennten Fahrspuren, wurden wild und ohne Genehmigung einfache Behausungen gebaut. Die Besitzer hofften darauf, dass sie nicht wieder weggerissen, sondern nachträglich legalisiert werden.

Den großen Obelisken im Visier fuhren wir auf der Avenida 9 de Julio, der angeblich breitesten Straße der Welt, ins Stadtzentrum. Der Stellplatz lag direkt im noblen Stadtviertel Puerto Madero, in unmittelbarer Nähe zum modernen Yachthafen. Schicke hochmoderne Gebäude aus Beton, Stahl und Glas sowie die alten Lagerhäuser, in denen sich jetzt Büros, einige Lofts und vor allem teure Restaurants befinden, dominieren hier das Stadtbild. Unser erster Abend im modernen Teil von Buenos Aires ließ wirklich keine Wünsche offen. Wir spazierten am Yachthafen entlang, tranken auf der Terrasse eines Restaurants ein Glas Rotwein und ließen die vornehme Atmosphäre auf uns wirken. Den Besuch eines typisch argentinischen Steakhauses sparten wir uns für den nächsten Tag auf, denn dann konnte auch unsere Tochter Katharina mit dabei sein.

Das Abholen unserer Tochter vom Airport war wieder ein kleines Abenteuer. Die Parkplätze sind nicht für Wohnmobile geeignet und dann hatte ich auch noch vergessen im Internet nachzusehen, in welchen Terminal der Flug abgefertigt wird. Es ging aber alles ganz gut, und obwohl wir im Halteverbot parkten hatte sich diesmal niemand dran gestört. Es ist immer ein ganz besonderer Moment, wenn wir unsere Kinder nach langer Zeit wieder sehen, und auch diesmal war es wieder so schön, unserer Tochter in die Arme zu nehmen und uns auf zwei gemeinsamen Wochen zu freuen.

Die Rückfahrt nach Puerto Madero haben wir zu einer kleinen Stadtrundfahrt ausgedehnt und am Nachmittag besuchten wir den sonntäglichen Antiquitäten- und Flohmarkt in San Telmo. Er ist eine Attraktion in Buenos Aires, aber nicht nur wegen den von verschiedensten Waren überquellenden Verkaufsständen. Die typische Atmosphäre und die interessanten und oft auch originellen Menschen machten den Reiz aus. Schon entlang der Defensa drängten sich die Händler, wer keinen Verkaufstisch hatte, breitete seine Waren auf einer Decke auf dem Boden aus. Die Straßencafés waren gut besucht und bei einem Cortado (Milchkaffee) konnten wir das Treiben am besten beobachten. Je näher wir dann zur Plaza Dorrego kamen, umso lauter, hektischer und bunter wurde der Markt. Straßenbands und Gaukler wetteiferten um die Gunst der Passanten und natürlich auch um einige Pesos, für die sie sich auch während des Spiels bedankten.

Die Plaza Dorrego selbst war aber für das, was Buenos Aires berühmt gemacht hat - den Tango - reserviert. Unter alten Schatten spendenden Bäumen wurde spontan Tango getanzt und jeder, der etwas konnte oder glaubte etwas zu können zeigte es hier in aller Öffentlichkeit. Sicher ist das Niveau nicht dasselbe, wie in den sündhaft teuren, speziell für Touristen angebotenen Tangoshows, dafür war es absolut authentisch und zeigte die Lebensfreude der Porteños, wie sich die Bewohner von Buenos Aires selbst nennen. Kathis erster Tag in Argentinien war auch ihr Geburtstag, und so haben wir diesen erlebnisreichen Bummel durch San Telmo in einem zünftigen Parrilla-Restaurant ausklingen lassen.

Am nächsten Tag war noch mal ein Kontrastprogramm angesagt. Der Besuch des Microcentro, des eigentlichen Stadtzentrums, gehörte natürlich zum Pflichtprogramm. Hier stehen europäische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert neben modernen Bank- und Geschäftshäusern. Die zentrale Plaza de Mayo wird vom Museo del Cabildo, der klassizistischen Catedrale Metropolitan und der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast, gesäumt. 1873 ließ Präsident Sarmiento rote und weiße Farbe, die Symbole der verfeindeten Lager, mischen und den Präsidentenpalast rosa anstreichen. Die Farbe gab dem Palast seinen Namen - sie soll die Einheit Argentiniens symbolisieren.

Argentinische Politik und politische Widersprüche wurden und werden auch heute noch auf der davor liegenden Plaza de Mayo ausgetragen. Hier wurde die Unabhängigkeit von Spanien verkündet, hier hielt Evita Peron zündende Reden und 1982 wurde hier der Beginn des Falklandkrieges bejubelt. Während der Militärdiktatur wurden mutige Demonstrationen durchgeführt und bis heute vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht eine politische Gruppe vor dem Präsidentenpalast Aufmerksamkeit verschafft.

In La Boca hatte man andere Sorgen. Im 19. Jahrhundert siedelten sich hier vorwiegend ärmere italienische Einwanderer an, und auch heute gehört dieser Bezirk zu den ärmsten der Stadt. Der Reiz, den La Boca auf viele Besucher von Buenos Aires ausübt, ist in seiner Ursprünglichkeit begründet. Die wellblechverkleideten Häuser sind knallbunt angestrichen und erlangten damit eine gewisse Berühmtheit. Immer mehr Touristen besuchten dieses Stadtviertel und mit den Touristen kam eine entsprechende Infrastruktur - Restaurants, Bars, Kneipen und Läden. Die El Caminito wurde zur Touristenmeile, aber schon einen Block abseits sahen wir Armut und Verfall. Die meisten Bewohner von La Boca kämpfen täglich ums Überleben. So verwundert es auch nicht, dass es vor allem nachts immer wieder Überfälle auf Touristen gibt.

08.12.2011 – An der Atlantikküste - Wale, Pinguine und mehr

Nach den heißen Tagen in Buenos Aires freuten wir uns auf die Fahrt entlang der Atlantikküste. Wir fuhren durch kleine verschlafene Fischerdörfer und durch Mar del Plata, dem größten Urlaubsort Argentiniens mit über 2 Millionen Besuchern während der Hochsaison. Wir waren fasziniert vom exklusiven Cariló, einem Seebad für die oberen Zehntausend, und überrascht, wie ausgestorben einige Badeorte außerhalb der Hochsaison waren. In Villa Gesell lösten wir ein Versprechen aus Panama ein. Damals trafen wir Tea, eine nette Argentinierin, der wir versprachen, bei ihr vorbei zu kommen, wenn wir in der Nähe sind. Tea spricht ausgezeichnet Deutsch, und so verging der Nachmittag viel zu schnell, mit aufschlussreichen Diskussionen über Argentinien und die aktuelle Situation im Land. Immer wieder hörten wir, dass die übertrieben soziale Politik der Präsidentin, die besonders die Erwerbslosen und Armen mit Geldleistungen unterstützt, hemmend für das Land sei. Viele Argentinier lebten lieber von einem Sozialplan, als sich Arbeit zu suchen.

Südlich von Bahía Blanca wurde die Strecke dann wieder eintönig, Hunderte Kilometer nur Wind und Pampa. Wir fuhren flott und ohne viel Aufenthalt, unser Ziel waren die einmaligen Tierkolonien an der südargentinischen Atlantikküste. In La Loberia dann das erste Highlight, bis zu 2000 Seelöwen leben in einer Kolonie am Strand. Leider war das dazugehörige Visitor- und Besucherzentrum geschlossen. Was nun? Wir hatten ja schon mehrere Seelöwenkolonien gesehen, aber Kathi hatte sich so darauf gefreut. Das kleine Tor war kein wirkliches Hindernis und nach wenigen Metern standen wir an der Steilküste und konnten von oben unzählige Seelöwen beobachten. Sieht man ihre schwerfällige Fortbewegung an Land, dann will man kaum glauben wie schnell und geschmeidig sie sich im Wasser bewegen und mit dem Maul Fische fangen. Hunderte von ihnen waren gleichzeitig auf Nahrungssuche in der Atlantikbucht - es ist unglaublich, welchen Fischreichtum es hier noch gibt. Interessant waren auch die Drohgebärden und die teilweise blutigen Machtkämpfe der Bullen um die Vorherrschaft im Harem. Selbst die heranwachsenden Bullen imitierten diese Kämpfe, bei ihnen war es jedoch noch ein Spiel.

Unser nächstes Ziel war die Halbinsel Valdes, hier wollten wir Wale beobachten. Die riesigen Meeressäuger halten sich zwischen Oktober und Mitte Dezember in den warmen Gewässern um die Halbinsel auf und bringen dort ihre Jungen zur Welt. Etwas enttäuscht waren wir, als uns ein Rancher im Visitorcenter sagte, dass keine Wale mehr da sind. „Dann hat es auch keinen Zweck, eine teure Whale-Watching-Tour zu buchen“ meinte Kathi. Einen Tipp von zwei Deutschen folgend fuhren wir in eine Bucht, nahe dem Hauptort Puerto Piramíde, wo es auch erlaubt war, im Wohnmobil zu übernachten. Am Strand standen einige Touristen und beobachteten ganz angestrengt die Bucht - und dann sahen wir sie auch. Nur wenige Meter vom Ufer entfernt lag, lang und groß wie ein riesiger Baumstamm, ein Wal im Wasser. Ein Walbaby schwamm daneben, tauchte immer wieder auf und prustete Wasser in einer Fontäne in die Luft. Mindestens 30 Minuten lag die Walkuh ruhig im Wasser und beobachtete das ausgelassene Umhertollen ihres Nachwuchses, dann setzte sich immer wieder eine freche Möve auf ihren Rücken und pickte darauf herum. Die Walkuh wurde aktiv, sie tauchte unter, kam dann, eine Wasserfontäne ausblasend wieder nach oben und zeigte dabei ihre wirkliche Größe. 16 Meter lang und bis zu 54 Tonnen schwer kann so ein Bartenwal werden, und ich glaube, wir hatten ein solches Prachtexemplar vor uns. Jeder am Ufer hielt die Luft an oder unterhielt sich nur im Flüsterton. Mit tiefen Tönen, die aus einem riesigen Resonanzkörper zu kommen schienen, verständigten sich die Wale untereinander. Als ob sie uns noch eine kleine Abschiedsvorstellung geben wollten, zogen sie ein letztes Mal ganz nahe am Ufer vorbei und zeigten uns ihre mächtigen Schwanzflossen, ehe sie langsam und majestätisch in die Bucht hinaus schwammen. Noch Stunden danach waren wir sprachlos und tief beeindruckt, wir hatten ein Wunder der Tierwelt in freier Natur erlebt. Es war die eindrucksvollste Tierbeobachtung unserer bisherigen Reise.

Etwas ganz anderes erlebten wir in Punta Tombo. Diesmal waren die Tiere kleiner, viel kleiner, nur etwa 60 Zentimeter groß, dafür waren es unfassbar viele. Wir waren zu Besuch in einer Pinguinkolonie, südlich von Valdes. An der argentinischen Atlantikküste gibt es mehrere solcher Kolonien, aber die in Punta Tombo ist die größte. 700.000 Magellanpinguine nisten hier für sechs Monate, sie bringen ihre Jungen zur Welt und ziehen sie auf, bis sie flügge sind. Im März werden es dann über 1 Million Pinguine sein, die nach Norden, vor die brasilianische Küste schwimmen und dort ein halbes Jahr ausschließlich im Meer leben.

Auf abgegrenzten Wegen liefen wir durch die Kolonie und wundern uns, wie wenig scheu die Pinguine waren. Oftmals mussten wir stehen bleiben, denn die Pinguine hielten sich nicht, so wie wir, an ihre Wege und dann hatten sie natürlich „Vorfahrt“. Es war so putzig, wie die kleinen Vögel in ihrem Frack vor uns herwatschelten und dabei so ungeschickt waren, dass sie über Steine stolperten oder sich gegenseitig umrempelten. Wir fragten uns, wie die Tiere ihr eigenes Nest wieder finden. Hier stand Strauch an Strauch, Erdloch an Erdloch und überall saßen und brüteten Pinguine. Manchmal schien es uns so, als ob sie ihr Nest suchten. Sie liefen in eine bestimmte Richtung, ließen den Blick schweifen und drehten sich dann auf dem „Absatz“ um. Wir konnten uns das Schmunzeln nicht verkneifen. Beim Anblick dieser unzähligen Tiere, die ohne Scheu um uns herum spazierten, musste ich daran denken, welchen Aufwand wir vor einigen Wochen betrieben hatten, um nur einige wenige Tiere zu sehen. Auf Chiloe fuhren wir extra mit einem Boot zu einer kleinen Insel und waren glücklich, drei oder vier Pinguine von der Ferne zu sehen und einige unscharfe Fotos zu machen, und hier – es war wieder ein Naturwunder, welches wir mit eigenen Augen sehen und erleben konnten.

20.12.2011 – Feuerland - weiter südlich geht es nicht

Über 1500 Kilometer waren es noch bis Feuerland. Wir fuhren auf der Ruta 3 durch spärlich besiedeltes Gebiet, nur einige kleine Städte lagen an der Strecke und brachten etwas Abwechslung in die eintönige Fahrt. Comodoro Rivadavia war da eine Ausnahme. Ursprünglich nur als Hafen für die Verschiffung der landwirtschaftlichen Produkte geplant entwickelte sich Comodoro Rivadavia, nachdem in der Gegend Erdöl gefunden wurde, zur größten Stadt im südlichen Patagonien. Heute kommen über 30 Prozent des argentinischen Erdöls aus dieser Gegend. Schön ist sie nicht, diese schnell gewachsene Stadt, die vor allem in den Randgebieten aus alten baufälligen Häusern besteht. Im Zentrum der Stadt ist dagegen alles vorhanden, was die gut verdienenden Erdölarbeiter brauchen, um ihr Geld auszugeben. Einkaufszentren, Supermärkte, unzählige Autohäuser und ein großes Spielkasino stehen hier, aber alles ist recht unstimmig zusammengewürfelt und ohne einen eigenen städtischen Charakter.

Von dem kleinen überschaubaren Flughafen in Comodoro Rivadavia ist unsere Tochter dann nach Deutschland zurückgeflogen und wir haben uns durch den patagonischen Wind und die Einsamkeit der Pampa weiter nach Süden gekämpft.

Nur wenige Kilometer vor der Magellanstraße, die Feuerland vom Festland trennt, mussten wir wieder nach Chile einreisen. Der argentinische Teil Feuerlands und Ushuaia waren nur so zu erreichen. Die schlechten Erinnerungen an unsere erste Einreise nach Chile und die Probleme, die wir mit der chilenischen Gesundheitsbehörde wegen Basko hatten, waren uns noch gegenwärtig. Diesmal lief aber alles problemlos ab, unser europäischer Tierpass und die darin vermerkten Impfungen genügten den Beamten - und uns fiel ein Stein vom Herzen.

Die Fähre schwankte leicht, als wir die Magellanstraße an ihrer engsten Stelle überquerten. Delfine begleiteten unser Fährschiff und eine halbe Stunde später fuhren wir bei Sonnenschein und absoluter Windstille von Bord. Irgendwie hatten wir es uns anders vorgestellt. Schon der Name Feuerland löste in uns Assoziationen aus wie Kälte, Regen, Schneeschauer, Finsternis und Sturm. Vor fast 500 Jahren, am 1. November 1520, war ein furchtbarer Sturm der Auslöser dafür gewesen, dass Magellan die nach ihm benannte Ost-West-Passage entdeckte. Zwei seiner Schiffe wurden in eine Bucht getrieben, die sich dann im weiteren Verlauf als Durchfahrt vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean erwies. Auf dem Land südlich des Kanals sah er nachts Rauch und Feuer und nannte es „Tierra del Fuego – Land des Feuers“. Anders als wir hat Magellan Feuerland niemals betreten.

Noch 40 km fuhren wir auf der neuen Straße bis zum chilenischen Erdölcamp Cerro Sombrero, wo wir direkt auf der kleinen Plaza übernachteten. Der nächste Tag brachte Veränderungen. Nicht nur das Wetter zeigte sich typisch „feuerländisch“ mit Nebel, stürmischem Wind und Schneeschauer, auch die neue Straße endete 5 Kilometer hinter Cerro Sombrero und die 120 km bis zur argentinischen Grenze rumpelten wir über eine grobe Schotterpiste. Auf der argentinischen Seite Feuerlands hatten wir dann endlich wieder Asphalt unter den Rädern. Je weiter wir nach Süden kamen, umso mehr ging die bisher vorherrschende Pampa in eine Landschaft mit Bergen, Wäldern und Seen über. Was von Weitem noch wie eine gesunde Gebirgslandschaft aussah, zeigte sich bei näherer Betrachtung als eines der kritischsten Probleme auf Feuerland. Weite Waldflächen standen unter Wasser, die Bäume waren kahl und überwiegend abgestorben. Grund dafür war die unkontrollierte Vermehrung des kanadischen Bibers, der hier angesiedelt wurde und keine natürlichen Feinde hat.

Bei Schneefall und Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt erreichten wir Ushuaia - die südlichste Stadt der Welt. Ihre Lage, direkt am Beagle-Kanal, umgebenen von Gletschern und schneebedeckten Bergen, ist einmalig. Die Stadt selbst ist aber eine zu schnell gewachsene Ansiedlung aus einfachen Holzhäusern, Provisorien und einer sehr touristisch aufgepeppten Innenstadt. Von „bunt und lebhaft“ bis zu „heruntergekommen und schmutzig“ reichte die Meinungsvielfalt ihrer Besucher. Für uns machte gerade dieser Gegensatz den Reiz Ushuaias aus, und in der südlichsten Stadt der Welt kann man auch mal ein Auge zudrücken. Hoch über der Stadt liegt der Gletscher Martial, von dem wir einen grandiosen Blick über den Beagle-Kanal bis zu den Bergen der chilenischen Isla Navarina hatten, auf der sich die südlichste Siedlung der Welt, Puerto Williams, befindet. Nach Puerto Williams kann man nicht mit dem Auto fahren. Der südlichste, auf einer Straße erreichbare Punkt ist die Bahia Lapataia, etwas südwestlich von Ushuaia im Nationalpark Tierra del Fuego gelegen. Auf dem Weg dorthin passierten wir den südlichsten Golfplatz der Welt, den südlichsten Bahnhof und die südlichste Polizeistation.
Und dann ging es nicht mehr weiter – wir hatten das Ende der Ruta 3 und den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Auf der Infotafel stand, dass Alaska ‚nur’ 17.848 Kilometer entfernt ist. Wir haben für diese Strecke fast zweieinhalb Jahre und über 80.000 Kilometer gebraucht.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Hobby heute: Über den Äquator gen Süden

Leider ist der Artikel schlecht lesbar, weil zu klein. Ich hab diesbezüglich einige Rückfragen erhalten. Tut mir leid, aber die Auflösung gibt nicht mehr her. Ich stelle deshalb den Text noch mal in der unredigierten Version ein.

Über den Äquator gen Süden

Wir, Petra und Bernd Hiltmann, haben uns einen Traum erfüllt. Wir bereisen mit unserem Hobby Siesta 650 die Panamericana von Alaska bis nach Feuerland. Im Mai 2009 sind wir in Halifax gestartet und haben mittlerweile über 90.000 Kilometer auf dem amerikanischen Doppelkontinent zurückgelegt. Dabei erlebten wir die einzigartige Natur und Tierwelt, die indigenen Hochkulturen und viele spannende und abenteuerliche Situationen, aber auch manches kleinere Problem musste gelöst werden. Eine Herausforderung, die uns etwas an die Nerven ging, war die Verschiffung unseres Wohnmobils von Panama nach Kolumbien.

Seit neun Tagen saßen wir nun schon in diesem Hotel in Cartagena (Kolumbien) fest. Jeden Tag riefen wir bei der Verschiffungsagentur und im Hafen an und erhielten immer die gleiche Antwort, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen. Die „Haneburg“ mit unserem Hobby an Bord war noch nicht im Hafen von Cartagena eingelaufen. Langsam machten wir uns ernste Gedanken. Wie war das gleich mit Murphys-Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“. Plötzlich sahen wir in den kleinen Unregelmäßigkeiten auf unserem Weg von Zentral- nach Südamerika eine unheilvolle Sequenz negativer Ereignisse.

Mit großem Aufwand hatten wir in Panama für unseren Basko (Golden Retriever) ein zusätzliches Gesundheitszertifikat beschafft und es noch am Wochenende von der zuständigen Regierungsstelle bestätigen lassen. In Colon hatte ich mich dann auf der Fahrt zum Atlantikhafen total verfahren und wurde in den Slums der Stadt von mehreren Jugendlichen attackiert, die dann das Wohnmobil mit Steinen beworfen haben. Im Hafen angekommen konnte ich das Wohnmobil nicht selbst auf die Transportplattform (Flatrack) fahren und die Verankerung überprüfen, weil das Schiff zur Reparatur in der Werft lag und noch keine Plattform verfügbar war. So musste ich unseren Hobby im Hafengelände abstellen und die Schlüssel an den Spediteur übergeben.

Dann glaubten wir, dass auf dem kurzen Flug nach Kolumbien nicht mehr viel schief gehen kann - aber weit gefehlt. Zuerst wollte uns die Fluggesellschaft ohne ein Weiterreiseticket nicht nach Kolumbien fliegen. Dann hatte unser Flug über fünf Stunden Verspätung, und als wir endlich in Cartagena ankamen, war unser Basko verschollen. Man hatte vergessen, ihn in Bogota umzuladen. Alles für sich gesehen nur kleine Probleme, uns kam es aber plötzlich wie ein böses Omen vor.

Der Atlantik tobte an diesen Tagen mit meterhohen gischtgekrönten Wellen. Uns beschäftigte die Frage, wie stark die Dezemberstürme das Containerschiff zum Schlingern bringen und ob unser Wohnmobil auch noch richtig verzurrt und verankert ist. Die Plattformen müssen, aufgrund der Übermaße, auf allen anderen Containern ganz oben stehen, genau dort, wo das Schiff am meisten schwankt und rollt. Bilder von Schiffen mit umgestürzten oder über Bord gegangenen Containerstapeln gingen uns durch den Kopf. Nein, es wird schon nichts passiert sein! Bisher war doch auf unserer Reise alles gut gegangen.

In Gedanken resümierten wir noch mal die Zeit in Zentralamerika. Nach sechs Monaten Mexiko sind wir in die bunte indigene Welt Guatemalas eingetaucht. Die buntesten Märkte, die ursprünglichsten Rituale und der schönste See der Welt, so die Meinung von Alexander von Humboldt zum Atitlansee, haben uns fasziniert und das historische Antigua hatte uns fast vier Wochen in seinen Bann gezogen. Dabei waren die klimatischen Bedingungen äußerst kritisch. Durch die stärksten Regenfälle seit vielen Jahren wurden ganze Dörfer verschüttet, Zehntausende Menschen waren obdachlos geworden und wichtige Zufahrtsstraßen einfach weggespült. Aber weder Naturkatastrophen in Guatemala, korrupte Polizisten in Honduras, bedrückende Armut in Nicaragua oder die hohe Kriminalität in den Slums von Panama konnte uns davon abhalten, die Schönheiten der jeweiligen Region zu sehen, die Freundlichkeit der Menschen zu spüren und unsere Traumreise mit allen Sinnen zu genießen. Positives Denken war gefragt und auch die Verschiffung unseres Wohnmobils von Panama nach Kolumbien wird positiv ablaufen. Mit dieser Überzeugung riefen wir am nächsten Morgen wieder im Hafen an und erfuhren, dass unser Wohnmobil zur Abholung bereitsteht. Uns fiel ein Stein vom Herzen. Fast einen ganzen Tag hat es noch gedauert, bis wir die aufwendigen Formalitäten erledigt hatten und dann waren wir endlich wieder komplett. Noch am selben Tag zogen wir aus dem Hotelzimmer in unser rollendes Zuhause und schliefen, so gut wie schon lange nicht mehr, wieder im eigenen Bett. Der nächste Tag war Weihnachten und die gelungene Überfahrt nach Kolumbien war unser schönstes Weihnachtsgeschenk. Jetzt konnten wir unsere Reise wie geplant in Südamerika fortsetzen.

Positives Denken hatte uns bisher immer weitergeholfen und dieses positive Denken war auch der Grund dafür, dass wir uns von den vielen negativen Stimmen über Kolumbien nicht davon abbringen ließen, dieses Land ausgiebig zu bereisen. Wunderbare Natur, authentische Kolonialstädte sowie die überaus gastfreundlichen Menschen waren es wert, in Kolumbien mehr als nur ein Transitland zu sehen. Sicherlich hat Kolumbien noch massive Probleme mit der Terrororganisation FARC, aber die Sicherheitslage in den Städten und auf den großen Verbindungsstraßen war ziemlich unproblematisch. Zu keinem Zeitpunkt haben wir uns unsicher gefühlt, niemals waren wir in eine kritische Situation gekommen.

Letzteres galt ebenso für Ecuador und Peru, zwei Länder, die sich in vielen Dingen grundsätzlich unterscheiden. Ecuador vereint die Vielfalt eines ganzen Kontinent auf seinem Territorium. Obwohl es zu den kleineren Ländern Lateinamerikas zählt, besitzt es weitläufige Küstengebiete, Hochgebirge mit eindrucksvollen Vulkanen, Dschungel und Regenwald sowie das Naturhighlight Südamerikas, die Galapagosinseln. In Ecuador haben wir uns sehr wohl gefühlt, nicht zuletzt, weil das Land auf uns einen, für südamerikanische Verhältnisse sauberen und geordneten Eindruck machte.

Ein völliges Kontrastprogramm zu Ecuador erlebten wir dann in Peru. Besonders der Norden des Landes war geprägt von Schmutz, Armut und Verfall. Aber dann zog uns auch dieses Land mit seiner einmaligen Inkakultur in seinen Bann. Cusco, Machu Pichu und der Titicacasee waren einmalige Erlebnisse und weitere Höhepunkte unserer Reise. Entlang des Titicacasees erreichten wir Bolivien und entgingen knapp den gewalttätigen Protesten, die sich in der peruanischen Grenzregion gerade ausweiteten. Höhenlagen zwischen 3000 und knapp 5000 Meter Höhe waren für uns gewöhnungsbedürftig, dafür entschädigte uns aber die einmalige unberührte Natur im Altiplano und die unendliche Weite des Salar Uyuni, der größten Salzwüste der Welt.

Zwei Länder, Chile und Argentinien, waren jetzt noch zu durchqueren, um den südlichsten Punkt unserer Reise, die argentinische Stadt Ushuaia, zu erreichen. Beide zählen zu den modernsten, sichersten und auch vielfältigsten Ländern Lateinamerikas. Hier, im Süden des Doppelkontinents, wiederholte sich manches, was wir von Kanada und Alaska kannten. Malerische Seen, schneebedeckte Berge und Gletscher, aber auch die kleinen idyllischen Städte mit ihren Holzhäusern kamen uns irgendwie bekannt vor. Die Weite der patagonischen Pampa war faszinierend, Entfernungen haben hier eine andere Dimension. Zwischen zwei Orten liegen schon mal 300 km Fahrstrecke, bis zur nächsten Kfz-Fachwerkstatt können es auch mal 1000 km sein. Da ist es ganz wichtig, dass wir uns auf unser Wohnmobil absolut verlassen können. Unser Hobby hat uns noch nie im Stich gelassen. Seine Zuverlässigkeit ist schon fast sprichwörtlich, dabei kennt er bisher die amerikanischen Werkstätten nur vom Öl- und Reifenwechsel.
Einige Reisetage liegen nun noch vor uns, bevor wir Anfang Mai 2012 unser Wohnmobil von Buenos Aires zurück nach Hamburg verschiffen werden, aber schon heute können wir sagen, dass unsere Reise auf der Panamericana ein einmaliges Erlebnis in unserem Leben darstellt. Mit der Fähigkeit, über bestimmte Unzulänglichkeiten hinweg zu sehen und keine falschen Maßstäbe anzuwenden, mit Offenheit für andere Kulturen und Lebensweisen, mit Toleranz und positivem Denken hat sich uns ein Kontinent erschlossen, der landschaftlich und kulturell zu den schönsten und interessantesten auf unserer Erde zählt.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Unser neuester Bericht im Reisemagazin "Hobby heute"

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Viel Spaß beim Lesen!!