Donnerstag, 27. Dezember 2012

Auf der Hobby-Website ist eine nette Zusammenfassung unserer Reise eingestellt:


http://www.hobby-caravan.de/hobby-erleben/1001-tage/die-bilder/bildergalerie/

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Montag, 29. Oktober 2012

Wir sind wieder daheim!!


Ja, wir sind wieder zu Hause, wenn auch noch nicht so richtig angekommen.

Am 18. Juni sind wir, nach einer 30-tägigen interessanten Schiffsreise, in Hamburg von Bord der Grande America gegangen. Seitdem befassen wir uns damit, unser Leben hier zu organisieren. Viele Termine, von Behördengängen bis zu Arztbesuchen, stehen auf unserer To-do-Liste. Manches ist in den letzten drei Jahren liegen geblieben und wartet jetzt auf Erledigung.

Wir vermissen viele Dinge, die wir in Südamerika lieben und schätzen gelernt haben, andererseits freuen wir uns, endlich wieder mit unseren Kindern, unserer Familie und unseren Freunden zusammen sein zu können.

Besonders die häufigen Kontakte, die wir während der Reise zu den "Daheimgebliebenen" hatten, zeigten uns, wo unsere Wurzeln liegen und wo unsere Heimat ist. Und trotzdem ist unsere Reiselust noch nicht gestillt und langsam entsteht ein neuer Traum.....

1001 Tage im Hobby-Reisemobil durch Amerika – das Ende einer Traumreise


Die Nachricht von der Grimaldi-Line kam nicht unerwartet, im Gegenteil, wir hatten sie herbeigesehnt. Seit einigen Tagen lag die „Grande America“ schon im Rió de la Plata vor Anker und wartete auf die Erlaubnis, in den Hafen von Buenos Aires einzulaufen. Ein schweres Schiffsunglück auf dem Rió Paraná hatte den gesamten Schiffsverkehr um Buenos Aires und die flussaufwärts liegenden Hafenstädte Campana und Zárate durcheinandergebracht. Fast zwei Wochen war der geplante Abreisetermin bereits überschritten und so lange warteten wir schon im Sportclub Aleman, am Rande von Buenos Aires, auf die Abfahrtsbestätigung - und dann ging alles ganz schnell. Morgen werden wir Südamerika verlassen. Unsere 3-jährige Traumreise von Alaska nach Feuerland ist vorbei!

Gemischte Gefühle beschleichen uns. Was wird uns nach unserer Rückkehr nach Deutschland erwarten? Wie werden wir uns einleben? Wir freuen uns natürlich auf Zuhause, auf unsere Kinder, unsere Familien, die treuen Freunde, durch die wir immer einen Draht zu unserer Heimat hatten, und auf die vielen schönen Dinge, die das Leben in Deutschland angenehm machen. Manches wird uns in Deutschland aber auch fehlen. Die unbekümmerte Lebenseinstellung, das positive Denken, die Gastfreundschaft der Lateinamerikaner und vor allem die Freundlichkeit und das Lächeln der Menschen, an das wir uns so sehr gewöhnt haben. Und dann die Weite des Kontinents, die überwältigende Natur, die Tierwelt, die einmaligen indigenen Hochkulturen und die bis heute überlieferten Traditionen.

Unsere Gedanken gehen zurück, zu den eindrucksvollsten Momenten dieser fantastischen Reise, und wir verspüren Glück und eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass wir die einmalige Vielfalt des amerikanischen Doppelkontinents erleben durften und dabei keinerlei schlechte Erfahrungen oder negative Erlebnisse erleiden mussten.

Die Nationalparks der USA, Kanadas, Zentral- und Südamerikas, die überwältigende Natur und die Beobachtung frei lebender Tiere kommen uns in den Sinn: Bären bei der Jagd, Wale in der Paarungszeit, Lachswanderungen, Tausende Seelöwen an der patagonischen Küste und Pinguine, soweit das Auge reichte. Die Galapagosinseln in ihrer Ursprünglichkeit und die karibische Unterwasserwelt waren Höhepunkte unserer Reise, aber auch die großartigen Landschaften Mexikos, Guatemalas, Costa Ricas, Kolumbiens, Boliviens und Perus haben uns tief beeindruckt. Asche spuckende Vulkane, kalbende Gletscher, die weltgrößten Wasserfälle, Wüsten und Salzseen, Dschungel, Hochgebirge, endlose Strände, dann wieder Passstraßen über 5000 Meter Höhe – wir versuchen unsere Gedanken zu ordnen, aber es wird wohl noch etwas Zeit vergehen, bis wir die überwältigenden Eindrücke verarbeitet haben. Die einmaligen Bauwerke der Azteken, der Inkas und Mayas haben uns ebenso fasziniert wie ihre bis heute überlieferte Lebensweise und Tradition. Die bunten Indio-Märkte in Guatemala und Ecuador und die spiritistischen indigenen Rituale in den Kirchen von Chichicastenango und im mexikanischen San Juan Chamula sind uns gegenwärtig. Man ließ uns teilhaben und wir fühlten uns in eine andere Welt und um Jahrhunderte zurückversetzt.

Alles begann mit einem Traum, aber die Wirklichkeit war noch beeindruckender, noch gewaltiger. Oft wurden wir gefragt, wo es uns am Besten gefallen hat und bis heute haben wir keine eindeutige Antwort darauf. Es ist die Vielfalt der Menschen, der Landschaften und Kulturen, die uns immer von Neuem faszinierte, es ist die Dimension des Kontinents und die Freiheit, die wir immer wieder spürten.
Kontinents und die Freiheit, die wir immer wieder spürten.

Keinen Tag dieser tollen Reise möchten wir missen!

Montag, 25. Juni 2012

29.03.2012 – 13.05.2012: Zum Abschluss – vier Länder in drei Wochen


29.03.2012 – Argentinien - am Río Paraná nordwärts

Wir waren wieder zurück in Buenos Aires, standen am Aeropuerto und warteten auf unsere Tochter. Kathi hatte es sich nicht nehmen lassen, uns noch einmal in Südamerika zu besuchen, um die letzten Reiseerlebnisse mit uns zu teilen. Sie hat den Reisevirus von uns geerbt und ist von fremden Ländern, alten Kulturen und atemberaubenden Landschaften genauso fasziniert wie wir. Fast wäre es schief gegangen, denn noch am Vortag war nicht sicher, ob Kathis Flug von dem Warnstreik betroffen sein wird, der den Frankfurter Flughafen einen ganzen Tag lahmgelegt hat. Aber dann kam die erlösende SMS, der Flug wird planmäßig abgefertigt.

Mit „deutscher Pünktlichkeit“ landete die Lufthansa-Maschine in Buenos Aires und eine halbe Stunde später saßen wir schon im Wohnmobil und kämpften uns durch den morgendlichen Berufsverkehr nordwärts. Mehr als drei gemeinsame Wochen lagen vor uns, also genügend Zeit, um im Norden Argentiniens die Provinz Misiones und die Iguazu-Wasserfälle zu erreichen - aber nicht auf direktem Weg. Auf der Hinfahrt wollten wir einen kleinen Abstecher nach Paraguay machen und die Rückfahrt sollte uns über Südbrasilien und Uruguay führen. Wir hatten eine anspruchsvolle Strecke gewählt und uns einem strengen Zeitplan unterworfen, ganz anders, als wie wir es in den letzten Wochen gewohnt waren.

Bei Zárate überquerten wir den Río Paraná, der hier mit dem Río Uruguay zusammenfließt und den riesigen Río de la Plata bildet. Ab hier fuhren wir durch eine wunderschöne Flusslandschaft mit vielen Inseln, Nebenarmen und Kanälen. Aus der Nähe betrachtet relativierte sich aber das Bild. Der vom Fluss angeschwemmte Schlamm mag gut für die Landwirtschaft sein, dem Tourismus in dieser Gegend ist er eher abträglich. Das braune Wasser lud nicht unbedingt zum Baden oder zu Wassersportaktivitäten ein. Dazu kam, dass hier die wahrscheinlich aggressivsten Moskitos ganz Südamerikas lebten. Es war einfach unglaublich, wie sie sich auf jedes Stückchen unbedeckte Haut gestürzt haben, sobald wir das schützende Wohnmobil verließen. Damit aber nicht genug, auch Jeansstoff oder dicke Pullover wurden von ihrem langen Stachel durchbohrt und von Moskitospray ließen sie sich schon gar nicht einschüchtern.

In Victoria schliefen wir die erste Nacht und am nächsten Morgen fuhren wir weiter durch die Provinz Entre Rios, dem argentinischen Zweistromland, zur Provinzhauptstadt Paraná. Hier querten wir wieder den Río Paraná, diesmal durch den, von deutschen Firmen gebauten Tunnel „Uranga-Sylvestre“. In Santa Fe und in Paraná, den beiden Provinzhauptstädten, die durch den Tunnel verbunden wurden, ist man heute noch wütend auf die Zentralregierung in Buenos Aires, die den Bau einer Brücke an dieser Stelle untersagte. Nach dem Willen der Regierung hätte die neue Brücke viel weiter flussabwärts, also näher an Buenos Aires gebaut werden sollen. Dies hätte für die beiden Städte keinen Nutzen gehabt. So umging man das Verbot mit dem Bau des viel kostenintensiveren Tunnels.

In Santa Fe angekommen besichtigten wir das Stadtzentrum und die alte Kathedrale. Petra und Kathi waren gerade noch mal auf ein Eis in die Stadt geschlendert, als neben dem Wohnmobil ein Peugeot hielt. „Haben Sie Fragen, kann ich Ihnen helfen?“ war das freundliche Angebot von Raul, der uns dann auch gleich für den nächsten Tag zum Asado eingeladen hat. Leider hatten wir dafür nicht genügend Zeit, aber das Angebot, die kommende Nacht mit dem Wohnmobil bei seinem Haus zu stehen, haben wir gerne angenommen.

Wie ein Hochsicherheitstrakt wurde die Clubanlage, in der Raul mit seiner Familie wohnte, bewacht. Der Sicherheitsdienst wusste schon Bescheid, als wir mit dem Wohnmobil am Tor ankamen, und eskortierte uns zu seinem Grundstück. Immer mehr wohlhabende Argentinier leben mit allem erdenklichen Komfort in solchen Clubs. Golf- und Tennisplätze, Schwimmbäder, Restaurants – an nichts fehlt es, und was vielleicht das Wichtigste ist, alles ist abgeschirmt und man ist unter seinesgleichen. Meine Frage, ob es denn in Santa Fe wirklich so gefährlich sei, beantwortete er mit einem klaren „Ja“. Als Chirurg hat er fast täglich Patienten mit Stich- oder Schussverletzungen zu versorgen. Besonders in den Armenvierteln der Stadt grassiert die Gewalt.

Nach einer sehr angenehmen Nacht war schon der Frühstückstisch auf der Terrasse für uns gedeckt. Wir kannten uns erst seit einigen Stunden, wurden aber aufgenommen wie „alte“ Freunde. Raul kam am Vormittag extra noch mal aus dem Krankenhaus zurück, um noch etwas Zeit mit uns zu verbringen. Mit einigem Stolz zeigte er uns sein neues Haus, an dem er seit einigen Jahren baut. Das Alte war für seine Familie zu klein geworden, es wird in Zukunft als Gästehaus genutzt werden. Die wohlhabenden Argentinier leben wirklich wie im Paradies, ganz anders die Menschen in den Elendssiedlungen, an denen wir auf unserer Rückfahrt durch die Stadt vorbeikamen. Hütten aus Wellblech, Pappe und Abdeckplanen; Unrat, Schmutz und Müll, dazwischen die Menschen ohne Perspektive - Männer, Frauen und viel zu viele Kinder. Was für ein gewaltiges Konfliktpotenzial schlummert hier. Es machte uns betroffen, diese Armut zu sehen und wir stellten uns die Frage, ob diese Gegensätze jemals entschärft werden können. Im Moment sah es nicht so aus, eher das Gegenteil war der Fall
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02.04.2012 – Paraguay - viel besser als sein Ruf

Von Paraguay hatten wir viel Negatives gelesen und gehört. In Chile wurden wir sogar eindringlich davor gewarnt nach Paraguay zu fahren, aber solche „gut gemeinten“ Ratschläge kannten wir ja schon zur Genüge. Unser Entschluss, Paraguay auf unserer letzten Rundreise zu besuchen haben wir nach einem Gespräch mit Irma und Norbert gefasst, die wir an der Atlantikküste in El Cóndor getroffen hatten. Die zwei Berliner lebten seit drei Jahren in Asuncion und waren so begeistert von ihrer neuen Wahlheimat, dass der Funke übersprang. Wir waren neugierig, wie die Menschen in diesem armen und bis vor wenigen Jahren diktatorisch regierten Land so leben. Einen traurigen Rekord hält Paraguay, es ist eines der korruptesten Länder der Welt. Ob wir an der Grenze Schmiergeld bezahlen müssen oder Probleme mit Basko bekommen? Wir waren gespannt. Was wir dann aber wirklich an der Grenze erlebten, hätten wir niemals erwartet. Die Personeneinreise war völlig unkompliziert, ja sogar etwas oberflächlich. Petra blieb erst einmal mit Basko im Auto und ich habe mit Kathi die Einreise geregelt. Niemand störte es, dass wir zwei mit drei Pässen einreisen wollten. Dass Kathi dann zwei Einreisestempel in ihrem Pass hatte und ich dafür keinen sorgte für viel Spaß bei den Grenzbeamten, und wurde unkonventionell korrigiert.

Als Nächstes mussten wir zum Zoll, um das Wohnmobil zu importieren. Ein älterer Beamter in Zivil wartete schon auf uns. Er war sehr locker und lustig, füllte die Dokumente gleich selbst aus, aber nahm es damit auch nicht so genau. Nach meinem Hinweis auf den falsch geschriebenen Namen korrigierte er es fast bis zur Unleserlichkeit. Dabei hatte er immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, und dann, wir trauten unseren Augen und Ohren kaum, stand er auf, hob den rechten Arm und verabschiedete uns mit „Heil Hitler“. An unseren erschrockenen Mienen erkannte er sofort, dass das wohl kein Spaß mehr war. Wir versuchten ihm zu erklären, dass dieser Gruß in Deutschland geächtet ist und welch schlechte Zeit sich für uns Deutsche damit verbindet. Er schien es zu verstehen und erzählte uns dann, dass auch Paraguay unter militärischem Größenwahn zu leiden hatte. Im Jahre 1865 erklärte der Diktator Francisco Solano López den Nachbarstaaten Argentinien, Brasilien und Uruguay gleichzeitig den Krieg, der zum blutigsten und grausamsten in der lateinamerikanischen Geschichte wurde. Die Gegner waren Paraguay zehnfach überlegen und am Ende dieses Wahnsinns hatte Paraguay die Hälfte seiner Bevölkerung verloren.

Nur wenige Kilometer nach der Grenze überquerten wir auf einer mehrspurigen Brücke den Río Paraguay und rollten in die recht modern anmutende Hauptstadt Asuncion. Die Luft flimmerte vor unseren Augen, es war gnadenlos heiß und stickig. Im Hochsommer muss es hier unerträglich sein, war unser erster Gedanke. Auf dem kleinen Campingplatz im botanischen Garten, einer wunderschönen Oase in der hektischen Stadt, standen wir dann unter Schatten spendenden Bäumen und fühlten uns ebenso wohl wie die vielen Hauptstädter, die hier in Familie ihren Sonntag verbrachten.

Unsere Stadtbesichtigung am nächsten Tag begann mit einer typisch südamerikanischen Busfahrt. Für uns nichts Neues, aber Kathi schüttelte immer wieder den Kopf und fragte sich, wann die Klapperkiste wohl auseinanderbrechen wird. Die Stadt selbst hatte nicht sehr viel zu bieten. Asuncion ist laut, hektisch, heiß und staubig. Es wird viel gebaut, und es ist vieles verfallen. Die noch vorhandenen Gebäude aus der Kolonialzeit prägen den Charakter der Stadt, viele sind sanierungsbedürftig. Im Zentrum sahen wir dann noch eine Besonderheit, die es so wohl nur in Asuncion gibt. Keine 100 Meter vom Präsidentenpalast und dem neuen Parlamentsgebäude entfernt standen die jämmerlichen Hütten der Ärmsten. Etwas Ähnliches hatten wir in Managua gesehen, aber hier war es noch drastischer. „Zumindest zeugt es von einer toleranten Regierung, die so immer die dramatischsten Probleme ihres Landes vor Augen hat“ meinte Kathi. In Paraguay gibt es keine Mittelschicht. Die wenigen Superreichen können sich fast alles leisten. Sie fahren die modernsten Luxusautos und leben in abgeschlossenen grünen Stadtvierteln. Die übrige Bevölkerung lebt in recht einfachen Verhältnissen, ein Drittel sogar unter der statistischen Armutsgrenze. Trotz allem wirkten die Menschen aber freundlich, aufgeschlossen und in gewisser Weise sogar zufrieden. Mit diesen Eindrücken rumpelten wir zum botanischen Garten zurück.

Unweit von Asuncion entfernt liegt der schöne Lago Ypacaraí mit dem beschaulichen Künstlerort Areguá, der vor allem für seine Keramik- und Töpferwaren bekannt ist, und dem Seebad San Bernardino. Hier sind die Schönen und Reichen Paraguays unter sich. Gepflegte Sport- und Yachtclubs, Ferienanlagen und noble Hotels, Restaurants und Bars, alles ist vorhanden - aber fast alles war schon geschlossen. Wie auch in Argentinien und Chile sind die Ferienorte außerhalb der relativ kurzen Hochsaison absolut verwaist. Umso besser für uns. Direkt am See, neben dem großen Yachtclub, hatten wir wieder einmal einen Traumplatz gefunden. Den Nachmittag verbrachten wir unter der Schatten spendenden Markise. Faulenzen, lesen und die Seele baumeln lassen war angesagt und Basko war auch in seinem Element. Er kam aus dem Wasser kaum noch raus und eine kleine Hundefreundin hatte er auch schon gefunden.

Am nächsten Tag fuhren wir über gut ausgebaute Straßen südwärts. Wir waren immer wieder erstaunt darüber, wie sauber hier alles war und wie ordentlich die meisten Häuser auf dem Land aussahen. Paraguay ist, nach Bolivien, das zweitärmste Land Südamerikas, aber im Gegensatz zu Bolivien oder auch Peru wirkte hier alles viel ordentlicher. Die Häuser waren verputzt und mit der subtropischen Vegetation sahen sie richtig schön aus.

Bis zu den Jesuiten-Missionen in Jesus und Trinidad, unserem nächsten Ziel, war es nicht mehr weit. 1588 kamen die ersten Jesuiten nach Paraguay. Erst als Wandermissionare unterwegs gründeten sie schon bald die ersten Siedlungen, Reduktionen genannt. Bis zu 5000 Guaraní-Indios lebten jeweils mit einigen Missionaren zusammen, die ihnen neben modernen Handwerkstechniken auch Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachten. Es wurde Landwirtschaft und Viehhaltung betrieben. Die Reduktionen waren dabei so erfolgreich, dass sie zu einer starken wirtschaftlichen und politischen Macht wurden - zu stark für die spanischen Eroberer und Kolonialisten. Dazu kam, dass die Indios in den Redaktionen nicht als Sklaven oder Leibeigene lebten, sondern als freie gleichberechtigte Menschen. Weltliche und kirchliche Neider entfachten ein wahres Kesseltreiben. Nachdem Gerüchte wie „Ausbeutung der Guaraní; Zwangsarbeit; geheimer Goldbergbau; die Vorbereitung einer Revolution gegen die spanische Krone und die Absicht, einen eigenen Staat zu gründen“ nach Madrid getragen wurden, verfügte der spanische König Karl der III. im Jahre 1767 die Ausweisung der Jesuiten aus Südamerika. Die 500 Mitglieder der Sociedad Jesú wurden in Ketten nach Europa gebracht und verurteilt. In der Folgezeit verfielen die Reduktionen zusehends und 1817 wurden sie auf Anweisung des paraguayischen Diktators Francia zerstört und dem Urwald überlassen. An den bis heute freigelegten Ruinen kann man sehr gut die Größe und die Perfektion der ehemaligen Gebäude erkennen. Nichts war als Provisorium gebaut. Das schönste Einzelgebäude war immer die mit prunkvollen Steinmetzarbeiten verzierte Kirche. Die indianischen Künstler entwickelten hier einen eigenen Stil, das sogenannte Guaraní-Barock, indem sie die vorgegebenen Formen mit indianischen Motiven vermischten. Leider werden die Ruinen von Jesus und Trinidad, Letztere gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe, kaum besucht. Der nach unserer Meinung ungerechtfertigt schlechte Ruf von Paraguay hat eben auch negative Auswirkungen auf den Tourismus.



06.04.2012 – Wieder in Argentinien - Misiones und die Iguazu-Wasserfälle

Wir setzten unsere Tour auf den Spuren der Jesuiten in der argentinischen Provinz Misiones fort. Auch hier standen mehrere Jesuiten Reduktionen, die aber ebenso wie die in Paraguay im Jahre 1817 zerstört wurden. Die Ruinen von Loreto sind vom Urwald völlig überwuchert. Nur wenige Mauerreste waren zwischen dem alles überdeckenden Regenwald zu sehen. Bisher fehlte das nötige Geld, um diese Kulturstätte freizulegen. Anders in San Ignacio Miní, der besterhaltensten Jesuiten-Reduktion in Argentinien. Der grundsätzliche Aufbau mit Kirche und zentraler Plaza, Friedhof und Kloster, Unterrichtsräumen, Werkstätten, Küchen, Gefängnis und den weitläufigen Wohnquartieren war recht gut zu erkennen. Auch hier beeindruckten uns vor allem die Ruine der Kirche und ihr wieder aufgebautes Portal aus rotem Sandstein.

Es war bisher schon hochinteressant, aber die Hauptattraktion in Misiones hatten wir noch vor uns - die Iguazu-Wasserfälle. Glaubt man der Legende, dann soll die amerikanische Präsidentengattin Eleanor Roosevelt beim Anblick des atemberaubenden Naturschauspiels „Poor Niagara“ (armer Niagara) ausgerufen haben, so begeistert war sie. Wir standen also am nächsten Morgen mit hohen Erwartungen, pünktlich zur Öffnungszeit des Nationalparks, am Tor und glaubten die Ersten zu sein, um die Wasserfälle in aller Ruhe genießen zu können - aber weit gefehlt. Vor dem Ticketschalter stand schon eine lange Schlange, da hatten andere wohl die gleiche Idee wie wir. Der Nationalpark ist aber sehr weitläufig und die Wasserfälle sind recht gut erschlossen.

Die absolute Attraktion war für uns der halbkreisförmige Garganta del Diablo, der Teufelsschlund. Der ganz gemächlich dahinfließende Río Iguazu stürzte hier abrupt über eine Basaltplatte in einen tobenden, an drei Seiten geschlossenen Kessel. Das Wasser schien alles mitreißen zu wollen, was sich ihm in den Weg stellte. Der Boden dieses „Hexenkessels“ war nicht zu sehen, alles war mit brodelnder Gischt gefüllt, die vom Wind bis zur direkt darüber liegenden Aussichtsterrasse getragen wurde. Wir waren in kürzester Zeit pudelnass. Die argentinische Seite bietet wirklich Wasserfälle zum „anfassen“, die Dusche ist dabei inclusive.

Die Erschließung der Wasserfälle mit Laufstegen ist sehr gut gelöst. Neben dem Teufelsschlund konnten wir so auch die weiteren etwa 275 Einzelfälle, in denen sich der Río Iguazu bis zu 70 m tief in die Schlucht ergoss, von verschiedenen Seiten betrachten – aber der Garganta del Diablo war der eindrucksvollste. Auch wir versuchten die Iguazu-Wasserfälle mit den Niagarafalls zu vergleichen, aber es kam uns immer wieder der Vergleich von Äpfeln mit Birnen in den Sinn. Die Niagarafalls waren uns gewaltiger und größer in Erinnerung, während der Río Iguazu bei unserem Besuch relativ wenig Wasser führte. Der entscheidende Unterschied lag jedoch in der Umgebung der Wasserfälle. Während die Niagarafalls mit Hochhäusern, Hotels und Aussichtsstürmen verbaut waren erlebten wir im Iguazu-Nationalpark Natur pur. Eingebettet in den tropischen Regenwald, mit einer zurückhaltenden und angepassten, ja fast versteckten touristischen Infrastruktur haben die Iguazu-Wasserfälle einen einmaligen Eindruck bei uns hinterlassen. Neben den Wasserfällen selbst waren es vor allem die exotischen Pflanzen und die bunte Tierwelt, die zum Gesamteindruck beitrugen. Wir konnten exotische Vögel, bunte Schmetterlinge, Ameisenbären und viele Affen beobachten - fast wie im Zoo, aber es waren Tiere in Freiheit.



12.04.2012 – Südbrasilien - Küsten, Canyons und deutsche Tradition

Den ersten Eindruck eines neuen Landes erhält man immer schon bei der Grenzabfertigung, und da hinterließ Brasilien bei uns einen sehr guten Eindruck. Die jungen Grenz- und Zollbeamten waren sehr nett und hilfsbereit. Als wir aber dann das Schild mit den Einfuhrverboten sahen, rutschte uns das Herz in die Hose. Alles war verboten: Käse, Wurst, Eier, Gemüse, Obst - und Hunde. Wir hofften darauf, dass wir nicht kontrolliert werden, und sind recht flott auf der Lkw Spur durch die Kontrollstelle gefahren. Wir hatten Glück und wurden nicht angehalten.

In Foz del Iguaçu haben wir uns dann entschieden, auf die Wasserfälle von der brasilianischen Seite aus zu verzichten. Die Sicht war nicht besonders gut, es hätte uns einen ganzen Tag gekostet und vielmehr hätten wir auch nicht gesehen. Die argentinische Seite der Wasserfälle ist die attraktivere. Im nächsten größeren Ort hielten wir an einem Supermarkt und waren überrascht vom reichhaltigen Angebot, von der Sauberkeit und den leckeren Waren. Für mich war die frisch geräucherte Knackwurst der Renner, gut gewürzt und mager, fast wie zu Hause.

Die weitere Strecke durch den Bundesstaat Paraná strapazierte unsere Nerven, die Straße war in einem katastrophalen Zustand und wir kamen nur langsam voran. Dann, ab der Grenze zum Bundesstaat Santa Catarina, verbesserte sich der Straßenzustand schlagartig; aber auch die Landschaft veränderte sich zunehmend, je näher wir der Bergkette der Serra do Mar kamen. Zwischen den sanft geschwungenen bewaldeten Hügeln und den lieblichen Tälern fühlten wir uns fast wie in den heimatlichen Mittelgebirgen, nur die tropische Vegetation und die vielen Palmen passten nicht in dieses Bild. Die kleinen Städte, durch die wir fuhren, machten einen adretten und sauberen Eindruck. Selbst viele Industriebetriebe waren so ordentlich, dass man sie mit noblen Hotelanlagen verwechseln könnte. Spiegelnde Glasfassaden, gepflegte Grünflächen und akkurat beschnittene Hecken im Außenbereich. Wir waren angenehm überrascht, so etwas hatten wir in Südamerika nicht erwartet. „Das kommt alles von die Deitschen“ erklärte uns der Taxifahrer in Pomerode in einem gebrochenen Deutsch. „Die machen hier alles so scheen“ und dann ergänzte er noch voller Stolz, „ich bin auch ein Deitscher“. Tatsächlich ist Pomerode die deutscheste Stadt Brasiliens. Fast jeder im Ort hat deutsche Vorfahren und spricht Deutsch oder ein pommerisches Plattdeutsch mit einigen portugiesischen Wörtern. Die ersten deutschen Einwanderer kamen Ende des 19. Jahrhunderts nach Südbrasilien. Der brasilianische Kaiser hatte in Deutschland mit günstigen Siedlungsbedingungen dafür geworben. Die deutschen Wurzeln waren besonders im Landesinneren in allen Lebensbereichen unverkennbar. Architektur, Sprache, Brauchtum, Lebensart und Küche sind eine Mischung aus Brasilien und Deutschland. Und gutes Bier wurde hier auch gebraut. Direkt gegenüber von unserem Stellplatz am städtischen Theater warb die Brauerei-Gaststätte „Zum Schornstein“ mit hausgebrautem Bier, ein Angebot, das wir uns nicht entgehen ließen.

Auch in Blumenau, der bekanntesten deutschen Großstadt in Brasilien, ist das Bier ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zumindest zum alljährlichen Oktoberfest, ganz in Münchener Tradition, fließt es in Strömen. Drei Wochen lang wird getanzt, gesungen und natürlich getrunken. Neben dem Karneval in Rio ist es das größte Volksfest in Brasilien. Aber auch in den restlichen Wochen des Jahres wird das deutsche Brauchtum geschickt vermarktet. Hinter dem Motto „Lernen Sie ein Stück tropisches Deutschland kennen“ stehen mehr als 30 traditionsreiche Volkstanzgruppen und Schützenvereine. Nach dem beschaulichen Pomerode war uns die Stadt aber irgendwie zu laut und zu hektisch. Wir waren froh, als wir wieder auf ländlichen Straßen in Richtung Atlantikküste unterwegs waren.

Im lebhaften Balneário Camboriú erging es uns dann ähnlich. Es ist das meistbesuchte Urlaubsziel im Bundesstaat Santa Catarina. Entlang der Strandstraße, der Avenida Atlântica, stehen Hochhäuser, Luxushotels und jede Menge Restaurants. Der Strand selbst wird als eine Kleinausgabe von Rios Copacabana bezeichnet. Es war recht nett, auf der über 6 km langen Strandstraße durch das Seebad zu fahren, jedoch Parkplätze waren Mangelware. Etwas südlicher, auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht, liegt der kleine Fischerort Porto Bello. Hier haben wir endlich wieder einen Platz nach unserem Gusto gefunden. Der Ort war ruhig, überschaubar und bodenständig. Natürlich gab es hier auch Tourismus, aber der fügte sich angenehm in das Leben des Fischerortes ein. Wir parken direkt am Strand, kaufen frischen Fisch und ließen es uns mal wieder so richtig gut gehen. Brasilien gefiel uns!

Am nächsten Morgen trafen wir bei unserem letzten Spaziergang durch Porto Bello eine nette Frau aus Blumenau. Sie erzählte uns von ihrer Familie, von ihren deutschen Vorfahren und ihrer Textilfirma, die sie jetzt wegen der zu starken chinesischen Konkurrenz schließen musste. 30 Arbeitsplätze gingen verloren. Das gleiche Problem haben aber auch die großen Firmen, sagte sie. Die von sächsischen Einwanderern in Blumenau gegründete Textilfabrik Hering, ein Vorzeigebetrieb in Brasilien, lässt fast nur noch in China produzieren. Die Belegschaft wurde innerhalb weniger Jahre von 15.000 auf 1.000 Angestellte reduziert. Wir wollten es kaum glauben. Brasilien, in unserer bisherigen Vorstellung selbst ein Schwellenland, hat ebensolche Probleme mit der Billigkonkurrenz aus Fernost wie die hoch entwickelten Industrienationen.

An der Küste fuhren wir nach Florianópolis und von dort weiter auf die Insel „Ilha de Santa Catarina“. Im Norden der 50 km langen Urlaubsinsel liegen die schönsten feinsandigen Strände mit Tausenden Touristen, der Süden ist noch ziemlich unberührt. Dort zog es uns hin. Wir fanden kleine Fischerorte und verschlafene Strandnester, aber auch hier wird die Küste so langsam zugebaut. Schön ist, dass dies nicht mit Hochhäusern und riesigen Hotelanlagen, sondern mit einer der Landschaft angepassten dezenten Architektur geschieht.

Noch etwa 100 km fuhren wir auf der BRA 101, der Küstenautobahn, südwärts, bis wir den Abzweig ins südbrasilianische Canyonland erreichten. Wir wollten, quer durch die Nationalparks Aparados da Serra und da Serra Geral, nach Cambará do Sul fahren. Die ersten Kilometer bis Praia Grande waren gut asphaltiert und dann begann die Horrorpiste. Am Anfang dachten wir noch ans Umkehren, später war es einfach nicht mehr möglich. Auf den nächsten 30 km überwanden wir mehr als 1000 Höhenmeter auf einer Piste, die schlimmer nicht sein könnte. Steigungen, Serpentinen, tiefe Spurrillen und faustgroße Steine machten die Fahrt zur Tortur. Immer wieder hofften wir auf eine Besserung des Straßenzustandes, aber erst ab der Passhöhe wurde es etwas einfacher. Natürlich sind wir ganz langsam gefahren und auch oftmals ausgestiegen, um die größten Steine aus dem Weg zu räumen, trotzdem war es eine unglaubliche Belastung für das Fahrzeug und die Reifen. Entschädigt wurden wir mit herrlichen Panoramaaussichten über die Canyonlandschaft bis zum Atlantik. Die Hänge und Bergplateaus waren mit mächtigen Araukarien bewachsen, die durch die Nationalparks geschützt werden, und überall sahen wir das satte Grün der Bergwiesen mit wild wachsenden Blumen. Es war schon fast dunkel, als wir im kleinen Gauchodorf Cambará do Sul ankamen. Wir wollten uns nach der anstrengenden Fahrt ein schönes Restaurantessen gönnen, aber Fehlanzeige. Außer einer kleinen Bierkneipe und einem Billardsaal war nichts geöffnet. Also mussten wir schauen, was uns die Bordküche zu bieten hatte, und das war sicher nicht schlechter als manches Restaurantessen.

Mit dem ersten Sonnenstrahl fuhren wir am nächsten Morgen los. Unser Zeitplan war angespannt, wir wollten an diesem Tag bis fast nach Uruguay kommen. Auf dem ersten Stück bis São Francisco de Paula erlebten wir noch einmal diese wunderschöne, für diese Gegend typische Landschaft mit Araukarien- und Eukalyptusbäumen, in saftige Wiesen eingebettete Seen und wogende Getreidefelder. Die Landschaft lag unter einer leichten Frühnebelschicht und wirkte regelrecht mystisch. Ab Porto Alegre mussten wir die mautpflichtige BRA 116 fahren, es gab keine Alternative und die Mautgebühren waren deftig. Zwischen 6 und 8 Euro kosteten es alle 50 km. Aber wir kamen recht gut voran und am späten Nachmittag waren es nur noch 150 km bis zum kleinen Grenzort Jaguarão. An einer Churrascaria hielten wir an, um nun endlich das legendäre Rodízio zu probieren. Auf einem Holzkohlegrill drehten sich Fleischspieße mit verschiedenen Fleischsorten. Diese wurden dann vom Kellner an den Tisch gebracht und man konnte sich das knusprigste Stück aussuchen, von dem dann eine dünne Scheibe abgeschnitten wurde. Kaum hat man diese verspeist wurde schon der nächste Spieß angeboten und so weiter, ohne Limit, bis zum Abwinken. Zwischendurch gab es Salat von Buffet und dann wieder Fleisch. Kathi und ich hatten eine schlechte Nacht, wir hatten einfach zu spät und, da es so lecker war, zu viel gegessen. Das waren wir nicht gewohnt. Petra hatte gut lachen, sie hatte auf das Fleisch verzichtet und nur vom Salatbuffet gegessen.



18.04.2012 – Durch Uruguay - zurück nach Buenos Aires

Wir waren schnell in Uruguay, schneller als es gut war. Die kleinen Grenzorte Jaguarão und Rio Branco haben keine Grenzkontrolle. Hier konnte man problemlos von Brasilien nach Uruguay wechseln und umgekehrt, erst etwas hinter oder vor den Städten gab es eine richtige Kontrollstelle, bei der man den wichtigen Stempel in den Pass gedrückt bekam. Das hatten wir übersehen, also mussten wir wieder nach Jaguarão zurück und uns den brasilianischen Ausreisestempel holen. Die Einreiseprozedur nach Uruguay war dann richtig entspannt. Zwar dauerte es lange, bis der Zoll das Auto endlich importiert hatte, aber es gab keine Einreisebeschränkungen, außer Rauschgift und Waffen war alles erlaubt. Da hatten wir unser Obst und die anderen Lebensmittel umsonst versteckt.

Nur wenige Kilometer nach dem Grenzort glaubten wir uns in einer anderen Welt. Die Straßen waren geradezu leer gefegt, kaum ein Auto kam uns entgegen und wenn doch, dann wurde schon von Weitem mit Lichthupe und Handzeichen gegrüßt. Die Gegend in Norduruguay war von Landwirtschaft und Viehzucht dominiert. Einige Farmen oder auch vereinzelte Häuser standen abseits der Straße, aber sonst war alles menschenleer. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Nationalstraße 7 eher wie ein besserer Feldweg aussah. Es lohnte sich wohl nicht, diese Straße besser auszubauen. So rumpelten wir südwärts und schafften am ersten Tag gerade mal 250 km, dann verhinderte die schon gegen 18:00 Uhr beginnende Dämmerung eine Weiterfahrt. Im nächsten Dorf hatten wir dann Orientierungsprobleme. Alles war stockdunkel – Stromausfall. Vor dem Haus des Dorfmechanikers durften wir die Nacht verbringen. Er kam mehrmals zu unserem Wohnmobil und fragte, ob er uns nicht irgendwie helfen könnte. Ein bisschen Neugier war wohl auch dabei und so zeigten wir ihm unser Mobil und bedankten uns für den Stellplatz mit einer Flasche Wein, die er erst nach langer Diskussion annahm.

Am nächsten Morgen starteten wir mit der ersten Dämmerung. Je weiter wir nach Süden und zur Küste kamen, um so besser war das Land erschlossen. Die Straßen waren jetzt viel angenehmer zu befahren, die Städte wirkten modern und es gab alle notwendigen Versorgungseinrichtungen. Unsere restliche Zeit war leider so knapp bemessen, dass wir auf den Besuch von Punta del Este und Mondevideo schweren Herzens verzichtet haben. Einzig die 1680 gegründete Kolonialstadt Colonia del Sacramento, die älteste Stadt Uruguays, haben wir noch rechtzeitig erreicht und besichtigt. Wir konnten die bewegte Geschichte der Stadt, geprägt durch die vielen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den portugiesischen und spanischen Truppen um die Vorherrschaft an diesem strategisch wichtigen Punkt, bei unserem Stadtrundgang regelrecht spüren. Eine dicke Wallanlage umgab den Stadtkern mit der Klosterruine, dem alten Fort und dem Leuchtturm. Aber auch die schön restaurierten historischen Häuser in der Calle de los Suspiros und die kleine Kirche „Iglesia de Benito“ aus dem Jahre 1761 trugen zum Flair dieser Stadt bei. Am Abend wirkte alles noch authentischer. Das grobe Kopfsteinpflaster der Gassen wurde nur spärlich von einzelnen Straßenlampen erleuchtet, aus den vornehmen historischen Restaurants drang gedämpfte Musik. Besser gefielen uns die urigen Kneipen, in denen die Einheimischen ihren Tag ausklingen ließen. Hier gab es Bier und Wein vom Fass und den für Uruguay typischen Chivito, einen Burger mit einer dünnen Scheibe Rindslende.
Erst gegen Mitternacht sind wir im Hobby in unsere Betten gestiegen und schon drei Stunden später weckte uns das grausame Klingeln des Weckers. Wir hatten die Frühfähre gebucht und mussten pünktlich 04:00 Uhr am Terminal stehen. Mit der aufgehenden Sonne erreichten wir Buenos Aires. Wir hatten zur Sicherheit die zwei letzten Tage für die aufwendigen Behördengänge eingeplant, die erforderlich waren, um alle Dokumente für Baskos Rückflug zu bekommen. Nach einem Tag hatten wir aber schon alles beisammen, sodass wir noch etwas Zeit gemeinsam in der Stadt verbringen konnten; und dann war der Zeitpunkt gekommen Abschied zu nehmen – von unserer Kathi und unserem treuen Begleiter Basko. Gemeinsam sind sie nach Frankfurt geflogen, wo unser Sohn Felix schon wartete, um Basko für die nächsten Wochen in Pflege zu nehmen. „Der erste der drei Globetrotter“, so schrieb es unsere Tochter dann im Facebook, „hat wieder deutschen Boden unter den Pfoten.“ Wir hingegen mussten uns noch etwas in Geduld üben, bis dann endlich unser Schiff, die „Grande America“, mit deutlicher Verspätung in den Hafen von Buenos Aires einlief. Jetzt konnte sie beginnen, die definitiv letzte Etappe unserer langen Reise.

Montag, 30. April 2012

24.12.2011 – 28.03.2012: In Südpadagonien und an der Atlantikküste


24.12.2011 – Feuerland - Weihnachten und Silvester am Ende der Welt

Wir verlebten nun schon unser drittes Weihnachtsfest in der Fremde, aber diesmal war es für uns einfacher als in den letzten zwei Jahren. Vielleicht hatten wir uns schon etwas daran gewöhnt, und die vielen netten Reisebekanntschaften in Ushuaia machten es uns auch etwas leichter. Und dann war noch das Wetter auf Feuerland - nasskalt, regnerisch und trüb; also fast wie das übliche Weihnachtswetter in Deutschland. Dabei war hier Hochsommer.

Am Morgen des Weihnachtstages gingen wir in die Stadt und erledigten unsere Weihnachtseinkäufe. Wir hatten Appetit auf ein Schweinesteak oder einen knusprigen Schweinebraten, doch als Petra diesen Wunsch an der Fleischtheke vorbrachte, erntete sie nur Kopfschütteln und Lachen. Rind und Lamm könnte sie haben, aber kein Schweinefleisch. „Na, dann nehme ich drei kleine Rindersteaks“ meinte Petra, obwohl auch zwei für uns gereicht hätten. Der Fleischer schnitt die Steaks vom ausgesuchten Filet und es wurden immer mehr. Mit einem „No, no, sólo tres“ konnte Petra ihn gerade noch stoppen. „¿Tres, no más?“, fragte der Fleischer kopfschüttelnd und lachte wieder. Mittlerweile war der halbe Supermarkt am Fleischstand versammelt, jeder wollte die Frau sehen, die erst Schweinefleisch verlangt hatte und dann mit 3 jämmerlichen Steaks Weihnachten feiern wollte.

Die Argentinier kauften alles in großen Mengen - und Fleisch sowieso. Ganze Lämmer, dazu riesige Stücke Rindfleisch und Würste für das weihnachtliche Asado türmten sich in den Einkaufswagen, dazu Bier, Wein, Süßigkeiten und vieles mehr. Wir standen in einer langen Schlange an der Kasse, zwischen den vielen hektischen Menschen mit ihren riesigen Weihnachtseinkäufen, und beobachteten alles mit Interesse. Es hätte auch ein beliebiger Supermarkt in Deutschland sein können, so wenig unterschiedlich war das Kaufverhalten. Es erstaunte uns immer wieder, wie die Argentinier sich dieses Leben so leisten können. Gerade Lebensmittel sind wesentlich teurer als in Deutschland, zum Teil kosten sie das Doppelte, und der Verdienst ist eher bescheiden. Wir trafen eine junge Lehrerin, die uns ihr Monatseinkommen mit 3000 Pesos benannte - das sind gerade mal 500 €.

Ein kräftiger Wind blies am Nachmittag die Wolken weg und so saßen wir bei Kerzenschein, Weihnachtsmusik und strahlendem Sonnenschein in unserem Wohnmobil und ließen uns unser bescheidenes Weihnachtsmenü schmecken. In einer geselligen Runde mit anderen Reisenden verbrachten wir dann den Abend im Clubhaus des Campingplatzes bei Glühwein und so mancher weihnachtlichen Leckerei aus der Heimat. Die meisten waren erst im Herbst in Buenos Aires angekommen und hatten für das erste Weihnachtsfest Stollen, Lebkuchen und Schokolade dabei. So etwas konnten wir nicht beisteuern, aber umso mehr waren unsere Erfahrungen gefragt, denn von dort, wo wir herkamen, wollten die meisten noch hin. Erst gegen 23:00 Uhr war es so dunkel geworden, dass auch der leuchtende Weihnachtsbaum und die brennenden Kerzen zur Weihnachtsstimmung beitrugen.

Die nächsten Tage vergingen viel zu schnell. Anrufe bei unseren Kindern, bei Verwandten und Freunden in Deutschland, interessante Gespräche mit anderen Globetrottern auf dem Campingplatz, aber auch lesen, schreiben und die Seele baumeln lassen waren angesagt.

Nach den Weihnachtsfeiertagen haben wir noch etwas die Umgebung von Ushuaia erkundet. Der Nationalpark Tierra del Fuego war für uns eine Enttäuschung. Mit 15 € Eintritt pro Person war er viel zu teuer und ohne irgendein Naturhighlight, es war dieselbe Landschaft und Natur zu sehen wie außerhalb des Parks auch. Unsere Bootsfahrt auf dem Beagle-Kanal war schon eher interessant. Auf den kleinen Kanalinseln tummelten sich Seelöwen, Pinguine und unzählige Kormorane und vor der gewaltigen Bergkulisse Feuerlands und der chilenischen Insel Navarino war der berühmte Eclaireurs-Leuchtturm ein beliebtes Fotomotiv.

Pünktlich zu Silvester standen wir wieder auf dem Campingplatz Club Andino. Mit unseren neuen Platznachbarn Gitta und Peter verstanden wir uns auf Anhieb. Es war ein wirklich netter Abend und um Mitternacht lagen sich alle im Saal in den Armen und wünschten sich ein gutes neues Jahr.

Am Neujahrstag war dann der große Aufbruch. Viele konnten es kaum erwarten endlich wieder weiterzufahren und auch wir haben unser Wohnmobil gepackt und uns von den neu gefundenen Freunden verabschiedet. Manchmal trifft man sich noch mal irgendwo oder man tauscht noch einige Mails aus, aber meist verliert sich der Kontakt nach einiger Zeit. Jeder hat so viele neue Eindrücke, so viele spannende Erlebnisse und viele neue, aber ebenso flüchtige Reisebekanntschaften, dass nur selten eine bleibende Freundschaft entstehen kann. Schade, aber auch das ist typisch für unser derzeitiges Leben.

Einige Tage verbrachten wir noch in völliger Einsamkeit auf der Estanzia Harberton, direkt am Beagle-Kanal. Die Estanzia, sie ist die erste europäische Ansiedlung auf Feuerland, wurde 1886 von dem britischen Missionar Thomas Bridges aufgebaut. Der Schutz der bedrohten Yahgan-Indianer Südfeuerlands wurde zu seiner Lebensaufgabe. Er studierte das Leben und die Sprache der Ureinwohner Feuerlands und schrieb sogar ein Wörterbuch Yahgan-Englisch. Viele Überlieferungen, Fotos und Originaldokumente stammen aus seinem Besitz. Sie sind die letzten Informationen über dieses heute ausgestorbene Volk. Auch Bridges konnte es nicht verhindern, dass die Ureinwohner auf den Inseln um den Beagle-Kanal schon 50 Jahre nach Beginn der Besiedlung durch Weiße praktisch ausgerottet waren. Die brutale Landnahme, eingeschleppte Krankheiten, das Einsperren der Indianer in Reservate und das schonungslose Jagen der Seelöwen, der wichtigsten Nahrungsquelle der Indianer, waren die Gründe für diesen Genozid. Heute lebt nur noch eine letzte alte Yohgan-Indianerin bei Puerto Williams. Die Sprache ihrer Vorfahren beherrscht sie jedoch nicht mehr, diese ist für immer verloren.

Während dieser Tage auf der Estanzia wurde uns bewusst, wie hart das Leben der Ureinwohner war und wie viel Kraft ihnen das lebensfeindliche Klima abgefordert hatte. Selbst im Hochsommer war es windig, feucht und kalt. Obwohl uns die Ruhe, die Weite der Landschaft und die Einsamkeit faszinierten, fiel uns nach drei Tagen die Entscheidung nicht schwer, diesen schönen Platz am Kanal zu verlassen und in der Hoffnung auf wärmeres Wetter nordwärts zu fahren.



08.01.2012 – Im südlichen Chile - vergangener Reichtum und bleibende Naturwunder

Wir verließen Feuerland mit der Fähre über die Magellanstraße und hatten auch diesmal keine Probleme, mit Basko die Grenze zu Chile zu passieren. Auf der Ruta 255 fuhren wir, dem Verlauf der Magellanstraße folgend, in südwestliche Richtung. Punta Arenas war unser Ziel. Unendlich weites und karges Land umgab uns, das fast ausschließlich zur Schafzucht genutzt wird. Millionen Schafe grasten auf den riesigen Estanzias, aber die goldenen Zeiten der Schafzucht sind vorbei. Begonnen hatte alles 1876, als europäische Einwanderer die Erlaubnis zur Schafzucht erhielten. Land war billig und reichlich vorhanden und das Klima bekam den Schafen gut. Mit der begehrten Schafwolle kam ein ungeheuerer Aufschwung, der weitere Auswanderer, Handwerker und Geschäftsleute anzog. In den Folgejahren entwickelte sich die Stadt Punta Arenas zur reichsten und schönsten Kolonialstadt in Patagonien. Die Besitzer der riesigen Schaf-Estanzias wurden in kurzer Zeit so reich, dass sie sich schlossartige Villen in der Stadt bauen ließen, für die nur das Beste gerade gut genug war. Der Stadtpalast von Sara Braun, heute ein Nobelhotel oder die Villa von Mauricio Braun und Josefina Menéndez, welche heute das Regionalmuseum beherbergt, sind Zeugnisse des damaligen Wohlstandes. Wir konnten die Wohnhäuser mit ihrer originalen Einrichtung besichtigen und waren beeindruckt von dem Prunk, aber auch entsetzt über die Verschwendung. Tapeten aus Frankreich, Marmor aus Italien, Möbel aus England und Flandern, selbst das Holzparkett kam aus Übersee - nichts war aus Patagonien oder Südamerika.

Der ehemalige Reichtum der Stadt spiegelt sich auch auf dem Friedhof der Stadt wider, der zwischenzeitlich zum Nationaldenkmal erklärt wurde. Prunkvolle Mausoleen und riesige Grabstätten zeugen vom Überfluss und der Verschwendungssucht dieser Superreichen. Den Preis für diesen Reichtum haben nicht zuletzt die Ureinwohner bezahlt, die auch hier erbarmungslos ausgebeutet und ausgerottet wurden.

Nach Punta Arenas war der Nationalpark Torres del Paine unser nächstes Ziel in Südchile. Der Nationalpark ist einer der meist besuchtesten in Chile und besticht mit einer atemberaubenden Landschaft. Über Puerto Natales fuhren wir zum westlichen Eingang des Parks. Auf dem Weg liegt die Höhle Cueva del Miledón. 1896 fand der deutsche Abenteurer Hermann Eberhard in dieser Höhle gut erhaltene Fell- und Knochenreste eines großen Tieres. Er hatte das einzige erhaltene Skelett des vor 8500 Jahren ausgestorbenen Mylodon, eines 3-4 m großen Riesenfaultiers, entdeckt. Im Umfeld der Höhle wurden auch archäologische Funde der ersten menschlichen Besiedlung Patagoniens gemacht. Vermutlich waren diese steinzeitlichen Jäger auch der Grund für das Aussterben dieser Tierrasse.

Über staubige Pisten ging unsere Fahrt weiter. Das spektakuläre Panorama entschädigte uns für die Rumpelpiste. Hinter blauen Gletscherseen ragten die Türme des Paine-Bergmassivs über 2000 Meter aus der Ebene auf. Der höchste Gipfel, der Cerro Paine Grande, ist 3050 Meter hoch. Die Felstürme sind so steil, dass sich kein Schnee darauf hält, und sie somit kahl aus der schneebedeckten Umgebung in den Himmel ragen. Diese atemberaubende Landschaft ist das touristische Highlight in Südchile. Bis zu 200.000 Besucher muss der Park jedes Jahr verkraften. Das bleibt nicht immer ohne Folgen. 2005 wurden 10 % des Nationalparks durch ein Feuer vernichtet. Ein Wanderer hatte damals mit seinem Campingkocher diesen Brand verursacht und zum Jahreswechsel 2011/2012 ereignete sich ein ähnliches Inferno mit noch größerem Ausmaß. Wieder war ein unachtsamer Besucher der Verursacher.
Wir waren froh, als wir am Eingang erfuhren, dass der Nationalpark seit einigen Tagen wieder geöffnet war und wir große Teile des Parks besuchen können. Die Rancherin war sehr freundlich, sie erlaubte uns auch vor dem Gebäude der Parkverwaltung im Wohnmobil zu übernachten, weil wir erst am nächsten Morgen in den Park fahren wollten. Also machten wir es uns gemütlich, bereiteten unser Abendessen und gingen dann mit Basko eine kleine Runde spazieren. Plötzlich kam die bisher so nette Rancherin aus dem Haus gestürmt und forderte uns auf, sofort das Gelände zu verlassen. Der Grund war unser Basko, Hunde sind im Park nicht erlaubt. Bisher hatten wir jedoch mit solch einem Verbot nie Probleme, wenn Basko im Auto blieb, beziehungsweise an der Leine geführt wurde. Aber jetzt lagen die Nerven bei der Parkverwaltung blank. Die Zerstörung großer Teile des Parks durch den vor wenigen Tagen ausgebrochenen katastrophalen Brand führte wohl dazu, dass jetzt alle Vorschriften besonders strikt umgesetzt wurden. Es war übrigens das erste Mal, dass wir solche Probleme wegen Basko hatten, sieht man mal von dem Grenzübertritt von Bolivien nach Chile ab.

Nach einer trotzdem recht angenehmen Nacht in freier Natur sind wir um den Nationalpark herum zur östlichen Parkgrenze gefahren und haben an den Lagunen Amarga und Azul herrliche einsame Stellplätze mit Blick auf die Torres gefunden. Hier konnten wir wandern, Tiere beobachten und das eindrucksvolle Bergmassiv auf uns wirken lassen.

Auf der Fahrt zum kleinen Grenzübergang Cancha Carrera nach Argentinien fühlten wir uns wie im Zoo. So viele Guanakos, die wild lebenden Vorfahren der Lamas und Alpakas, und so viele Nandus, es sind die größten flugunfähigen Laufvögel Südamerikas, hatten wir bisher noch nie gesehen. Sie überquerten die Straße oder standen in großen Gruppen in der Pampa und betrachteten uns ohne Scheu.




20.01.2012 – Perito Moreno - ein atemberaubender Gletscher

Kaum jemand würde El Calafate kennen oder dort hinfahren, läge der kleine Ort nicht am Rande des Nationalparks Los Glaciares und würde der Zugang zum Nationalpark nicht über diesen Ort führen. So hat sich El Calafate zu einem typischen Touristenort mit Restaurants, Kneipen, Hotels und unzähligen Touranbietern entwickelt. Schon von der Stadt aus sahen wir am westlichen Horizont die schneebedeckten Berge und die milchig blauen Gletscherseen. Dazwischen liegen die gewaltigen Gletscher, die durch den Nationalpark geschützt werden. Es sind Ausläufer des Inlandeises der südlichen Halbkugel; der, abgesehen von den Polregionen, größten zusammenhängenden Eismasse der Erde. Mit 22.000 km² entspricht sie etwa der Größe Hessens. Der größte Gletscher im Nationalpark ist der Upsala-Gletscher. Mit einer Fläche von 595 km² zählt er zu den gewaltigsten Einzelgletschern auf der Welt. Leider kann man ihn nur während einer Bootstour sehen. Der noch eindrucksvollere legendäre Perito-Moreno-Gletscher bot da bessere Möglichkeiten, da dieser von eigens dafür errichteten Besucherplattformen hautnah und völlig ohne Zeitdruck besichtigt werden kann. Außerdem zeichnet den Perito-Moreno noch eine Besonderheit aus. Während fast alle anderen Gletscher auf der Welt abschmelzen und schrumpfen, wächst der Perito-Moreno kontinuierlich.

Das Wetter war ideal, und so hielten wir uns nicht lange in El Calafate auf. Am Lago Argentina verbrachten wir die Nacht und am nächsten Morgen trieb uns die Vorfreude auf das Erlebnis schon früh aus dem Bett. Wir waren die ersten Besucher im Park und hatten den Gletscher ganz für uns allein. Über die komfortablen Laufstege und Aussichtsplattformen, die in verschiedenen Höhen und Abständen einen fast hautnahen Kontakt zum Gletscher ermöglichten, kamen wir der gewaltigen Eismasse des Perito-Moreno-Gletschers immer näher. Der Gletscher, der auf Fotos so klein aussieht, ist an seiner Abbruchkante über 4 Kilometer breit und ragt 60 Meter aus dem Lago Argentina in die Höhe. Aber nicht nur die Größe des Gletschers war beeindruckend, sondern vor allem der Umstand, dass sich diese gewaltige Eismasse kontinuierlich bewegt. Mit 2-3 cm pro Stunde drückt das Eis ins Tal. Diese Bewegung war nicht zu sehen, wohl aber zu hören. Die von der Eismasse ausgehenden Geräusche sind fast nicht zu beschreiben. Laut und kraftvoll hörten wir das Knacken und Knarzen tief drinnen im Gletscher. Manchmal waren kurze Schleifgeräusche oder das Zersplittern des Eises zu hören, alles aber so gewaltig und laut, einfach unvorstellbar. Die Sensation war natürlich das sogenannte Kalben des Gletschers, das Abbrechen großer Eisbrocken aus der Gletscherwand, die dann mit lautem Getöse in den Lago Argentina krachten. Ein weiteres Phänomen war die leuchtend blaue Farbe des Gletschereises, die sich im Laufe des Tages, je nach Sonneneinstrahlung noch verstärkte. Wir waren so fasziniert von diesem Naturschauspiel, dass wir uns erst nach einigen Stunden davon losreißen konnten. Nach einer kurzen Mittagspause und einen Spaziergang mit Basko, der natürlichen im Auto bleiben musste, sind wir noch einmal zum Gletscher runter gestiegen.

Die Sonne stand jetzt direkt über der Gletscherkante und erwärmte das Eis. Immer öfter brachen riesige Eisbrocken oder ganze Eissäulen aus der Wand heraus. Jeder, der jetzt recht zahlreichen Touristen hatte seine Kamera im Anschlag, um diesen Moment als Bild oder Video einzufangen. Als ob man mit einem lauten Gespräch dieses Schauspiel stören könnte, flüsterten alle oder hielten den Atem an. Einen ganzen Tag verbrachten wir auf unserem „Beobachtungsposten“, aber es war spannend bis zur letzten Minute.

Noch zwei Tage verbrachten wir am Lago Roca, inmitten der unberührten Natur des Nationalparks, bevor wir wieder zurück nach El Calafate mit seinen touristischen Annehmlichkeiten gefahren sind. An El Calafate habe ich später noch oft gedacht. Nicht nur der gewaltige Gletscher ist mir in Erinnerung geblieben, sondern auch das leckerste Lamm-Asado unserer bisherigen Reise.


Video vom Perito-Moreno-Gletscher




06.02.2012 – Fitz Roy - das schönste Bergmassiv Südamerikas

Ganz ernst nahmen wir die Ankündigung der Campingplatzbesitzerin in El Calafate nicht, als sie uns von dem schlechten Wetter am Fitz Roy berichtete. „Sie will sicher nur, dass wir noch etwas hierbleiben“ war unsere Meinung. In El Calafate hatten wir seit Tagen nur Sonnenschein und El Chaltén, die kleine Siedlung am Fuße des Fitz-Roy-Bergmassivs, war nur 50 Kilometer Luftlinie entfernt.

Je näher wir aber dem eindrucksvollen Gebirgsmassiv kamen, umso trüber und regnerischer wurde es. An der Touristen-Information in El Chaltén trafen wir Margit und Peter, die zwei Schweizer in ihrem Bucher-Allradmobil. Seit Valdés sind wir uns immer wieder begegnet und wir waren jedes Mal begeistert von dem Willen und der Kraft, die diese zwei Globetrotter antreibt, denn Peter sitzt im Rollstuhl. Wir freuten uns über das unerwartete Wiedersehen und tauschten unserer Erlebnisse der letzten Tage und Wochen aus. Nicht so positiv war die Tatsache, dass es hier wirklich seit mehreren Tagen regnete oder es zumindest so trüb war, dass man von dem spektakulären Fitz-Roy-Massiv nichts sehen konnten. Mittlerweile hatten sich auch noch die zwei Österreicher Margit und Jörg, die schon seit fünf Jahren in ihrem Land Rover unterwegs sind, zu uns gesellt, und gemeinsam warteten wir auf Wetterbesserung. Gut, dass wir genügend Zeit und eine flexible Reiseplanung hatten. Die vielen ‚normalen’ Touristen, die jeden Tag mit Bussen angereist kamen, hatten gar keine Chance die herrliche Bergwelt zu erleben. Sie fuhren abends wieder ab, immer ihren engen Reisezeitplan in Nacken.

Wir wollten aber noch etwas mehr, wir hatten uns in den Kopf gesetzt, das Bergmassiv bei Sonnenaufgang zu sehen. Bei diesem, als ‚Sunrise in fire’ bezeichneten Naturschauspiel kann man bei wolkenlosem Himmel das Fitz-Roy-Massiv für wenige Minuten wie in Flammen sehen. Jeden Morgen klingelte der Wecker vor Sonnenaufgang. Nach einem Blick aus dem Wohnmobil konnte ich mich wieder schlafen legen, weil der Himmel trüb und wolkig war. Aber unsere Ausdauer hat sich gelohnt. Nach drei Tagen dann ein wolkenloser Himmel, nur die Bergspitzen des 3405 Meter hohen Cerro Fitz-Roy und des Cerro Torre waren von Wolken bedeckt. Die aufgehende Sonne tauchte den Berg und die ihn umgebenden Wolken in ein tief rotes Licht. Es wirkte wirklich so, als ob der Berg brennen würde und nach nur 10 min war alles vorbei.

Der sonnige Tag musste natürlich genutzt werden, und so haben wir uns noch eine wunderschöne Wanderung auf dem Fitz-Roy-Wanderweg gegönnt. Naja, Petra musste ich erst zu ihrem Glück überreden, sie hatte bei dem starken Wind erst wenig Lust zum Wandern, war dann aber beim Anblick der Berge mindestens genauso fasziniert wie ich. Es war auch wirklich der einzige schöne Tag. Als es am nächsten Morgen wieder regnete, hatten wir es satt. Wir wollten endlich wieder etwas Sonne tanken. Auf unserer weiteren Fahrt entlang der Atlantikküste sollten wir dazu genügend Gelegenheit haben.

02.03.2012 – An der Atlantikküste - Baden, Sonnen, Faulenzen … und Sand schaufeln

Bis El Chaltén hatten wir die Entscheidung aufgeschoben, ob wir die raue Ruta 40 und die chilenische Carretera Austral oder die gut ausgebaute Ruta 3 an der Atlantikküste fahren werden. Nach einigen Rückinformationen anderer Reisender, die schon die Westroute gefahren waren und zum Teil schlimme Schäden an ihren Autos beklagten, und der ganz aktuellen Informationen der Touristen-Information in El Chaltén, dass es große Engpässe bei der Diesel-Versorgung auf der Ruta 40 gebe, haben wir uns für die Atlantikroute entschieden. So richtige Lust auf Hunderte Kilometer Schotter- und Wellblechpiste hatten wir sowieso nicht.

Obwohl wir die Ruta 3 am Atlantik schon auf der Fahrt von Buenos Aires nach Feuerland gefahren waren, gab es für uns trotzdem manches Neue zu entdecken. Das lag daran, dass wir diesmal genügend Zeit hatten, um viele der kleinen Seebäder zu besuchen, die jetzt in der Nachsaison ihren unverfälschten Charme zeigten. Wir hatten die kilometerlangen Strände fast für uns allein und die meisten unserer Übernachtungsplätze waren einfach spektakulär. Zwischen den Dünen am Strand, direkt an der Uferpromenade oder an der Steilküste hoch über dem Atlantik fanden wir die schönsten Stellplätze. Es war genau die Situation, die wir uns immer gewünscht hatten. Ohne zeitliche Einschränkung zu reisen und überall dort, wo es uns gefiel, so lange zu bleiben, bis uns die Neugier weiter trieb oder das beginnende herbstliche Wetter uns veranlasste, weiter nordwärts in die Wärme zu ziehen.

Trelew war dann eine nette Abwechslung zum Strandleben. In der Stadt befindet sich eines der weltweit besten paläontologischen Museen. Die ausgestellten, teilweise über 300 Millionen Jahre alten Fossilien stammen alle aus Patagonien, dem Eldorado der Fossiliensammler. Auch Knochen und ganze Skelette der verschiedensten Dinosaurier wurden und werden auch heute noch in Patagonien gefunden, und die interessantesten Fundstücke sind im Museum in Trelew ausgestellt. Dazu gehören auch das weltweit einzige Exemplar eines gehörnten Sauriers und mehrere gut erhaltene Sauriereier.

Von Trelew aus war es nur ein kleiner Abstecher nach Gaiman, dem kleinen walisischen Musterdorf, in dem die Teehäuser die Hauptattraktion sind. Selbst Prinzessin Diana hat hier schon ihren Tee geschlürft, und da durften wir natürlich nicht nachstehen. Im berühmten Ty Te Caerdydd wurde wirklich guter Kuchen ohne Limit serviert und der leckere Tee immer wieder nachgeschenkt.

Auf unserer weiteren Fahrt auf der Rute 3 sahen wir, kurz hinter Necochea, ein Hinweisschild zum Balneario La Loberia. Nur 10 km Schotter waren zu bewältigen und dann standen wir schon am Strand und freuten uns auf eine schöne ruhige Nacht. Der Ort selbst war wie ausgestorben, es gab zwei kleine Hotels und einige Cabañas am Strand, aber alles war verschlossen und leer. Eigentlich standen wir auf dem Strandparkplatz nicht schlecht, doch nach dem Abendessen packte mich der Ehrgeiz. Vielleicht sollten wir doch einige Meter zurückfahren, dort wäre es etwas windgeschützter und vor allem würden wir dann ganz gerade stehen. Nach nur wenigen Metern wurde das Wohnmobil plötzlich gestoppt, als ob ich irgendwo aufgefahren wäre. Der Grund war eine Stelle mit ganz weichem Sand unter der angetrockneten Oberfläche. Wir saßen fest. Mit Sand schaufeln, Steine und Holz unterlegen und mehreren Versuchen selbst freizukommen verging der Abend. Das Ergebnis war, dass unser Wohnmobil jetzt noch viel tiefer im Sand steckte als vorher. „Jetzt können wir fast zu ebener Erde aus der Tür treten“ sagte Petra im Spaß. Ich fand diesen Scherz nicht ganz so lustig. Der Abwassertank saß, trotz voll ausgefahrener Luftfederung auf dem Boden auf und ich lag mit dem Gesicht im Sand und versuchte, den Sand wenigstens an diesen Stellen abzutragen. „Wir können nichts weiter tun als Schlafen gehen“ meinte ich dann resigniert, „morgen muss uns ein Jeep oder ein Traktor rausziehen“. So richtig gut geschlafen haben wir nicht. Das Wohnmobil stand so schräg, dass wir in unserem Bett immer wieder nach unten gerutscht sind.

Schon um 8:00 Uhr war ich im Ort unterwegs, das noch nagelneue Abschleppseil hing über meiner Schulter, um die Verständigung zu erleichtern. Was ich jedoch nicht erwartet hatte, war, dass es im ganzen Ort kein passendes Fahrzeug gab. Der einzige Jeep gehörte der Tourismusverwaltung, und der war defekt. Die hilfsbereite Polizistin, die ich dann nach 09:00 Uhr aus ihrem Bett geklingelt habe, fuhr mit mir auf dem Polizei-Quad von Haus zu Haus - aber das Ergebnis war niederschmetternd. Kaum ein Haus war jetzt in der Nachsaison bewohnt und kräftige Autos – Fehlanzeige. Es verirrte sich auch den ganzen Vormittag kein Auto in dieses verlassene Dörfchen und wir rechneten schon unsere Lebensmittelvorräte auf die nächsten Tage auf. Aber wie immer kommt irgendwann die Lösung, in unserem Fall am späten Nachmittag in Gestalt eines Anglers mit einem uralten Jeep. Es war noch einer von der Sorte, wo die Stoßstange ihrem Namen auch verdient. Da der Bolzen seiner Hängerkupplung fest gerostet war, wurde mein Abschleppseil einfach um diese solide Stoßstange gewickelt. Mit Allrad, Untersetzung und viel Gas hat es der Jeep dann wirklich geschafft, unser 4-Tonnen-Wohnmobil aus dem tiefen Sand zu ziehen. Wir waren überglücklich. Mit einigen Büchsen Bier bedankten wir uns, aber dem jungen Mann war viel wichtiger, dass er wieder mal bewiesen hat, dass sein Jeep auch mit solch schwierigen Situationen fertig wird. „Alles kein Problem für ein richtiges Auto“ murmelte er noch beim Einsteigen und fuhr über den Strand zu seinem Angelplatz.

Montag, 23. April 2012

Zwischeninfo

Unser Blog ist derzeit nicht ganz auf dem neuesten Stand. Deshalb hier eine kurze Zwischeninfo.

Im neuen Jahr haben wir in Südpadagonien herrliche Naturerlebnisse gehabt und sind dann an der Atlantikküste bis nach Buenos Aires getingelt.


Dort wartete schon unsere Tochter auf uns. Gemeinsam haben wir den letzten Gewalttrip bewältigt - in 3 Wochen durch 4 Länder. Paraguay, Südbrasilien und Uruguay waren unsere Ziele und zu Beginn haben wir in Nordargentinien den angriffslustigen Moskitos getrotzt. Seit letzten Sonntag ist unsere Kathi wieder in Deutschland und auch unser Basko hat wieder deutschen  Boden unter den Pfoten (Bild: Basko in Frankfurt).
Noch zwei Wochen haben wir Zeit, um die letzten Erlebnisse zu verarbeiten und natürlich auch in Text und Bild zu veröffentlichen. Dann geht es für einen Monat auf ein Frachtschiff der Grimaldi-Line. Mitte Juni werden wir dann auch wieder in der Heimat sein. Wir freuen uns schon auf unsere Familie, unsere Freunde und auf die leckeren Dinge, auf die wir in den letzten Jahren verzichten mussten. Also dann, bis später.
Un fuerte abrazo! Petra und Bernd


Sonntag, 26. Februar 2012

19.10.2011 – 23.12.2011: Quer durch Argentinien bis ans „Ende der Welt“


20.10.2011 – In der argentinischen Schweiz - Kampf gegen die Vulkanasche

Das argentinische Seengebiet zählt zu den landschaftlich schönsten Gegenden des Landes, nicht umsonst wird es auch als die Schweiz Argentiniens bezeichnet. Dichte Wälder, tiefblaue Seen, schneebedeckte Berge und die dieser Landschaft angepasste Architektur waren die Gründe, dass sich diese Region zu den beliebtesten touristischen Zielen Argentiniens entwickelte - bis der Ausbruch des Vulkans Puyehue alles unter einer dichten Ascheschicht begrub.

Wir fuhren nach San Carlos de Bariloche, dem touristischen Zentrum der Region. Die Stadt liegt am malerischen Lago Nahuel Huapi, umgeben von erhabenen Andengipfeln. In der Innenstadt hatte man mit viel Aufwand die Asche weitestgehend entfernt - aber der starke Wind trug immer wieder neuen Staub in die Stadt. Die meisten Einheimischen trugen einen Mundschutz. Wir schützten uns auch, soweit möglich, vor dieser verschmutzten Luft, trotzdem fiel uns das Atmen schwer. Wir hatten geplant, einige Tage in Bariloche zu verbringen, aber dann waren wir froh, die Stadt nach einer kurzen Stadtbesichtigung wieder verlassen zu können.

Westlich von Bariloche liegt die Halbinsel Llao Llao, auf der sich das gleichnamige, 1936 erbaute Luxushotel wunderbar in die Landschaft einfügt. Im Garten des Hotels war alles grün. Tag und Nacht laufende Wassersprenger hatten die Ascheschicht in den Boden eingeschwemmt. Wie viele Jahre wird es in den Wäldern dauern, bis der Regen auch dort die Spuren des Vulkanausbruchs beseitigt haben wird?

Die schlimmste Situation fanden wir in Villa Angostura vor. Der schöne gepflegte Ferienort am Nordufer des Lago Nahuel Huapi wirkte auf uns wie nach einer Schneekatastrophe. Alles lag unter einer dicken grau-weißen Schicht. Überall waren die Bewohner aktiv. Sie schaufelten in ihren Gärten, auf den Straßen, den Wegen und in den schönen Parks die Asche zusammen. Mit großen Kippern wurde sie dann vor die Stadt gefahren und dort abgelagert. Wie viele von den seltenen Myrtenbäumen im Nationalpark Los Arrayanes nachhaltig geschädigt wurden, war noch nicht abzuschätzen.

Auf der Straße der sieben Seen zwischen Villa Angostura und San Martin de los Andes, normalerweise ein landschaftlicher Höhepunkt der Region, sah es ähnlich schlimm aus. Die Schönheit der Natur mit ihren Wäldern, Seen und Wasserfällen war nur mit viel Fantasie zu erkennen, der allgegenwärtige Staub und die Asche machten die Fahrt auf dieser Panoramastraße für uns zur Tortur. Selbst die Seen waren mit großen Teppichen aus Vulkansteingranulat bedeckt. Erst in San Martin de los Andes besserte sich die Situation.

Die schöne Kleinstadt am Ufer des Lago Lacar ist als Urlaubsort bei wohlhabenden Argentiniern beliebt. Viele chaletartige Gebäude, meist Hotels oder Restaurants, prägen das Bild dieser Stadt. Doch außer diesem alpenländischen Stadtcharakter hat San Martin nicht all zu viel zu bieten. Dass wir trotzdem drei Tage dort verbrachten, lag an der Gastfreundschaft von Clara und Gonzalo. Wir hatten uns am Abend einen ruhigen Stellplatz in einer Nebenstraße gesucht und standen über Nacht direkt vor ihrem Grundstück. Am Morgen kam Clara zu uns ans Wohnmobil, begrüßte uns herzlich und lud uns zum Dinner ein. Wir haben uns auf Anhieb mit dem jungen Paar gut verstanden, zumal wir genügend Gesprächsstoff hatten. Clara und ihr Mann Gonzalo waren erst vor wenigen Wochen von ihrer dreimonatigen Hochzeitsreise im gemieteten Wohnmobil durch Europa zurückgekommen. Wir hatten einen tollen gemeinsamen Abend. Ungewohnt für uns war das späte und reichhaltige Essen. Argentinier essen frühestens ab 21:00 Uhr, auch die Gaststätten öffnen am Abend erst um diese Zeit. Es wurde schon langsam hell, als wir dann in unserem Wohnmobil in einen tiefen Schlaf fielen.

Aus dem einen Abend wurden dann zwei Tage, die wir mit dem netten Paar verbrachten. Immer wieder baten sie uns, unsere Abfahrt noch einmal zu verschieben. Dann bot uns Gonzalo noch sein Ferienhaus am Atlantik an. Es steht in Cariló, einem kleinen Küstenort, und ist außerhalb der Hochsaison unbenutzt. Dort könnten wir doch einige Tage mit unserer Tochter verbringen, meinet er - natürlich kostenlos. Wir waren erst einmal sprachlos über so viel Freundlichkeit und Vertrauen und versprachen, auf alle Fälle nach Cariló zu fahren, wenn wir an der Küste sind.

Nach einer herzlichen Verabschiedung starteten wir unser Wohnmobil und fuhren stadtauswärts. Noch lange standen wir unter dem tiefen Eindruck, den diese Menschen mit ihrer Offenheit und Gastfreundschaft bei uns hinterlassen haben und wir stellten uns die Frage, ob so etwas in Deutschland auch möglich wäre.

10.11.2011 – San Rafael und Mendoza - Weinanbau, soweit das Auge reicht

Wir waren auf dem Weg nach Buenos Aires und hatten noch drei Wochen bis unsere Tochter dort ankommen wird. Das war genügend Zeit und so haben wir, einem Rat von Gonzalo folgend, die längere Strecke über Mendoza und Córdoba gewählt. Anfangs war die Fahrt noch interessant, sie führte uns zum Nationalpark Lanín und entlang des Río Limay bis nach Neuquén. Danach gab es bis San Rafael fast keine landschaftliche Abwechslung mehr. Wir fuhren 700 Kilometer über flaches Land und sahen keine Siedlung, keine Menschen, nur ganz selten kam uns ein Auto entgegen. Die ausgedörrten Weiden entlang der Straße waren eingezäunt, sie gehörten zu riesigen Estancias. Schafe und Rinder standen inmitten der Dürre und suchten nach etwas frischem Grün. Die Tiere sind sich fast das ganze Jahr selbst überlassen. Die Größe dieser Estancias wird nicht in Hektar gemessen, sondern in der Anzahl Rinder oder Schafe, die das Land ernährt.

Kurz vor San Rafael bogen wir ins Valle Grande ab. Hier ist eine Tourismus-Hochburg entstanden. Entlang des Rio Aturel lagen Campingplätze, Hostels und einfache Backpackerunterkünfte. Die meist jungen Touristen verbrachten ihre Zeit mit Rafting und Kanufahren auf dem Fluss, der jedoch so ruhig dahinfloss, dass er kaum eine Herausforderung darstellte. Wir wollten eher die Schönheiten des Cañón de Atuel, abseits der lärmenden Touranbieter, erleben. Auf ruhigen Wegen haben wir das Tal durchwandert und wurden mit herrlichen Panoramen dieser ungezähmten Flusslandschaft belohnt. Die durch Wasser und Erosion geformten Felsen leuchteten farbig in der Abendsonne.

Die weitere Fahrt bis Mendoza führte uns durch riesige Obst- und vor allem Weinplantagen. Das Klima ist ideal für den Weinanbau, 70 Prozent des argentinischen Weines, der zunehmend auch international gefragt ist, kommen aus dieser Gegend. So angenehm und grün wie das Umland präsentiert sich auch Mendoza selbst. 1861 wurde die Stadt durch ein schweres Erdbeben völlig zerstört und dann mit breiten Prachtstraßen, weitläufigen Plazas und vielen Grünflächen wieder aufgebaut. Was in erster Linie dem Schutz von Menschen und Gebäuden dienen sollte, ließ eine der schönsten Städte Argentiniens entstehen. Obwohl es wenig Sehenswürdigkeiten und kaum historische Gebäude gibt, hat die Stadt trotzdem einen malerischen Charme, der nicht zuletzt auf die gepflegten Parkanlagen und die von unzähligen Schatten spendenden Bäumen gesäumten Straßen zurückzuführen ist. Man sagt, in Mendoza stehen mehr Bäume, als die Stadt Einwohner hat.

Am Rande der Stadt liegt der weitläufige Park San Martin mit vielen Freizeitmöglichkeiten, einem Zoo, einem Amphitheater, mehreren Seen, dem großen Fußballstadion und dem einzigen Campingplatz in Stadtnähe. Obwohl der Preis von 25 € für diesen einfachen Übernachtungsplatz auch für argentinische Verhältnisse sehr hoch war blieb uns trotzdem keine andere Wahl. Wir hatten uns angewöhnt, unser Wohnmobil in größeren Städten nie unbeaufsichtigt abzustellen. Unser Stadtbummel war dann recht schnell beendet, als sich der Himmel verdunkelte und ein Unwetter aufkam. Mit einem Taxi schafften wir es gerade noch rechtzeitig bis zum Wohnmobil und konnten die Dachluken schließen, bevor das Gewitter mit wolkenbruchartigen Regen niederging. Die ganze Nacht schüttete es wie aus Eimern und am nächsten Morgen war die Versorgung des Parks zusammengebrochen. Kein Strom, kein Wasser und damit auch keine Duschen und ein völlig überschwemmter Campingplatz. Als wir diesbezüglich beim Pächter des Platzes nachfragten, wurden wir unfreundlich aufgefordert den Campingplatz bis 13:00 Uhr zu verlassen. Das ging uns dann doch etwas zu weit. Wir stellten ihn vor die Alternative, uns die halbe Campingplatzgebühr zurückzuzahlen oder uns einen zusätzlichen Tag kostenlos auf dem Platz zu gewähren. Der Pächter, ein unsympathischer schmuddeliger Typ, ließ nicht mit sich reden und drohte uns mit der Polizei. Gut, dann sitzen wir es eben aus. In aller Ruhe haben wir gekocht, gegessen und es uns dann für einen langen trüben Nachmittag bequem gemacht. Statt der Polizei kam dann der Pächter und bot uns eine Rückzahlung von 100 Pesos an, das sind fast 20 €, wenn wir den Platz sofort verlassen. Wir waren innerlich schon etwas stolz, dass wir den kleinen Machtkampf gewonnen hatten und packten schnell zusammen. Nichts hielt uns jetzt mehr. Erst beim nächsten Einkauf in einem kleinen Supermarkt wurde uns klar, dass wir die Dummen waren. Der 100-Pesoschein war Falschgeld. Für uns sah er echt aus, mit Wasserzeichen und Silberstreifen, aber die Verkäuferin hat ihn uns sofort zurückgegeben. An einer Tankstelle haben wir es noch mal versucht, aber auch hier wurde der „Falsche“ sofort erkannt. „Dann ist es eben ein Reiseandenken“ sagte ich und legte den Schein in mein Tagebuch.

Zwei Monate später trafen wir Didi und Susanne, ein Schweizer Paar mit drei Jahren Reiseerfahrung in Südamerika - aber nicht nur positiven. Vor einem Jahr wurden sie auf diesem Campingplatz in Mendoza nachts in ihrem Auto überfallen, lebensgefährlich verletzt und ausgeraubt. Wir wollten es nicht glauben, bis sie uns die Narben von den Messerstichen und die Schäden an ihrem Sprinter zeigten - ein Albtraum. Nach Mendoza, dieser schönen Stadt, werden die zwei Schweizer wohl nicht mehr fahren - und wir nach ihren Schilderungen auch nicht.

17.11.2011 – Rund um Córdoba - argentinische Geschichte und deutsche Tradition

Westlich von Córdoba erstreckt sich die Sierra de Córdoba, einer Gebirgskette, die mit dem höchsten Gipfel, dem Cerro Champaqui, sogar 2884 m erreicht. Von Osten steigt das Gebirge sanft an, um dann nach Westen hin wieder steil abzufallen. Genau von dort erreichten wir die Gebirgskette und fuhren über steile Serpentinen bis Mina Clavero. Durch seine zentrale Lage in der Sierra Córdoba und sein angenehmes Klima in 915 m Höhe hat sich der kleine Ort schnell zu einem gefragten Touristenzentrum entwickelt. Besonders seine Lage am Rio Pichana, der sich teilweise tief in den Fels eingeschnitten hat und wild durch diese Canyons fließt, verleiht der Stadt einen einmaligen Reiz. Natürlich ist all das vorhanden, was Argentinier für einen gelungenen Urlaub brauchen: Restaurants aller Preisklassen, Diskotheken, Bars, unzählige Shops und ein großes Spielkasino. Direkt am Flussufer fanden wir einen geeigneten Stellplatz für die Nacht. Gegen 22:00 Uhr klopfte es an unser Wohnmobil und zwei Polizisten standen vor der Tür. Jetzt werden wir bestimmt weggeschickt, war unser erster Gedanke - aber die Polizisten stellten sich freundlich vor und sagten uns, dass sie im Ort Streife fahren und sich für unsere Sicherheit verantwortlich fühlen. Sie würden in der Nacht regelmäßig bei unserem Stellplatz patrouillieren. Mit einem freundlichen „buenas noches“ verabschiedeten sie sich und fuhren in ihrem Streifenwagen davon. Obwohl wir uns in diesem kleinen Ort nicht unsicher fühlten, freuten wir uns über diese nette Geste, die wir übrigens schon mehrfach erlebt haben.

Unsere weitere Fahrt führte uns, vorbei an Stauseen, wilden Flüssen und Wasserfällen, immer weiter in die Córdobaberge hinein. Von den Bergpässen hatten wir tolle Ausblicke auf die umliegenden Täler und am Horizont sahen wir die Millionenstadt Córdoba. Wir entschieden uns jedoch, nicht nach Córdoba zu fahren und bogen stattdessen in südliche Richtung nach Alta Gracia ab. Der kleine Ort wird in allen Reiseführern als einer der geschichtsträchtigsten und angenehmsten Orte der Provinz Córdoba beschrieben. Man plante in den letzten Jahren sogar, den Sitz der Provinzregierung von Córdoba nach Alta Gracia zu verlegen. Ob dies der kleinen historischen Stadt gut getan hätte, ist fraglich. Ihr Charme liegt gerade in der Ruhe und Beschaulichkeit, mit der das Leben hier abläuft. Der Ort entstand um eine bereits 1588 gegründete Estancia, die 1643 von den Jesuiten übernommen und ständig erweitert wurde. Heute ist sie das Herzstück der Stadt und der kulturelle Mittelpunkt. Die Schönheit der Stadt zog viele berühmte Persönlichkeiten an, vom Vizekönig Santiago de Liniers bis zum spanischen Komponisten Manuel de Falla. Letzterem wurde ein Museum gewidmet, wobei der wohl bekannteste Einwohner der Stadt sich auf einem ganz anderen Terrain bewegte. Ernesto Guevara, besser bekannt als Che Guevara, verbrachte hier seine Kindheit und Jugend. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Guevara, die Villa Beatriz, wurde zum Museo Casa Ernesto „Che“ Guevara umgebaut. Neben vielen Originaldokumenten, Zeugnissen und Fotos, besitzt das Museum auch sein motorisiertes Rennrad und sein erstes Motorrad, mit dem er als Jugendlicher Südamerika bereiste.

Nach zwei ruhigen Tagen in dieser wundervollen Stadt erlebten wir in Villa General Belgrano das totale Kontrastprogramm. 1932 von deutschen Auswanderern gegründet ist Villa General Belgrano heute in Argentinien berühmt für „deutsche Gemütlichkeit„ - mit Wiener Schnitzel, Bratwurst und Sauerkraut, Apfelstrudel, Dresdner Stollen und viel Bier. In den kleinen Brauereien wird gutes Bier gebraut und in zahlreichen Biergärten ausgeschenkt. Bis weit in die Nacht wurde hier getrunken, gefeiert und manchmal auch gesungen. Jedes Jahr im Oktober erlebt die Stadt ‚den Höhepunkt’. Dann wird hier das größte Bierfest des Landes gefeiert. Es ist das größte Oktoberfest außerhalb Münchens. Etwas enttäuscht waren wir dann doch, als wir den Versprechungen der Speisekarte vertraut haben und die deutschen Spezialitäten Nürnberger Bratwürste und Kassler auf Sauerkraut bestellten. Vieles von der deutschen Tradition ist wohl schon verloren gegangen - übrigens auch die Sprache. In Villa General Belgrano wurde kaum noch Deutsch gesprochen.

27.11.2011 – Buenos Aires - Weltstadt mit Charme und Gegensätzen

Über Buenos Aires wird geschrieben, dass es eine der spannendsten und elektrisierendsten Städte Südamerikas ist. Besonders der Gegensatz zwischen den modernen und piekfeinen Stadtgebieten wie Recoleta oder das am Hafen neu entstandene Puerto Madero und den gewachsenen Arbeitervierteln San Telmo oder La Boca könnte größer nicht sein. Unser Reiseführer beschreibt diese Situation mit den Worten „Hier trifft die Raffinesse eines geschliffenen Diamanten auf den zweifelhaften Charme eines unrasierten Casanovas“. Wir waren gespannt auf diese Stadt und gleichzeitig etwas unsicher - Buenos Aires ist nicht nur das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum, sondern auch die kriminelle Hochburg Argentiniens. Sicher mussten wir hier weniger mit Gewaltkriminalität rechnen als in einigen der schon von uns bereisten Länder, aber Trickbetrug, Diebstähle und Autoeinbrüche sind an der Tagesordnung. In Buenos Aires gibt es kaum sichere Stell- oder Campingplätze und so waren wir froh, dass wir von anderen Reisenden den Parkplatz am Fährterminal empfohlen bekamen, wo wir mit dem Wohnmobil auch über Nacht stehen könnten. Auf der Fahrt in die Stadt sahen wir die ersten Gegensätze zwischen Arm und Reich. Direkt neben der neuen Stadtautobahn, teilweise sogar zwischen den getrennten Fahrspuren, wurden wild und ohne Genehmigung einfache Behausungen gebaut. Die Besitzer hofften darauf, dass sie nicht wieder weggerissen, sondern nachträglich legalisiert werden.

Den großen Obelisken im Visier fuhren wir auf der Avenida 9 de Julio, der angeblich breitesten Straße der Welt, ins Stadtzentrum. Der Stellplatz lag direkt im noblen Stadtviertel Puerto Madero, in unmittelbarer Nähe zum modernen Yachthafen. Schicke hochmoderne Gebäude aus Beton, Stahl und Glas sowie die alten Lagerhäuser, in denen sich jetzt Büros, einige Lofts und vor allem teure Restaurants befinden, dominieren hier das Stadtbild. Unser erster Abend im modernen Teil von Buenos Aires ließ wirklich keine Wünsche offen. Wir spazierten am Yachthafen entlang, tranken auf der Terrasse eines Restaurants ein Glas Rotwein und ließen die vornehme Atmosphäre auf uns wirken. Den Besuch eines typisch argentinischen Steakhauses sparten wir uns für den nächsten Tag auf, denn dann konnte auch unsere Tochter Katharina mit dabei sein.

Das Abholen unserer Tochter vom Airport war wieder ein kleines Abenteuer. Die Parkplätze sind nicht für Wohnmobile geeignet und dann hatte ich auch noch vergessen im Internet nachzusehen, in welchen Terminal der Flug abgefertigt wird. Es ging aber alles ganz gut, und obwohl wir im Halteverbot parkten hatte sich diesmal niemand dran gestört. Es ist immer ein ganz besonderer Moment, wenn wir unsere Kinder nach langer Zeit wieder sehen, und auch diesmal war es wieder so schön, unserer Tochter in die Arme zu nehmen und uns auf zwei gemeinsamen Wochen zu freuen.

Die Rückfahrt nach Puerto Madero haben wir zu einer kleinen Stadtrundfahrt ausgedehnt und am Nachmittag besuchten wir den sonntäglichen Antiquitäten- und Flohmarkt in San Telmo. Er ist eine Attraktion in Buenos Aires, aber nicht nur wegen den von verschiedensten Waren überquellenden Verkaufsständen. Die typische Atmosphäre und die interessanten und oft auch originellen Menschen machten den Reiz aus. Schon entlang der Defensa drängten sich die Händler, wer keinen Verkaufstisch hatte, breitete seine Waren auf einer Decke auf dem Boden aus. Die Straßencafés waren gut besucht und bei einem Cortado (Milchkaffee) konnten wir das Treiben am besten beobachten. Je näher wir dann zur Plaza Dorrego kamen, umso lauter, hektischer und bunter wurde der Markt. Straßenbands und Gaukler wetteiferten um die Gunst der Passanten und natürlich auch um einige Pesos, für die sie sich auch während des Spiels bedankten.

Die Plaza Dorrego selbst war aber für das, was Buenos Aires berühmt gemacht hat - den Tango - reserviert. Unter alten Schatten spendenden Bäumen wurde spontan Tango getanzt und jeder, der etwas konnte oder glaubte etwas zu können zeigte es hier in aller Öffentlichkeit. Sicher ist das Niveau nicht dasselbe, wie in den sündhaft teuren, speziell für Touristen angebotenen Tangoshows, dafür war es absolut authentisch und zeigte die Lebensfreude der Porteños, wie sich die Bewohner von Buenos Aires selbst nennen. Kathis erster Tag in Argentinien war auch ihr Geburtstag, und so haben wir diesen erlebnisreichen Bummel durch San Telmo in einem zünftigen Parrilla-Restaurant ausklingen lassen.

Am nächsten Tag war noch mal ein Kontrastprogramm angesagt. Der Besuch des Microcentro, des eigentlichen Stadtzentrums, gehörte natürlich zum Pflichtprogramm. Hier stehen europäische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert neben modernen Bank- und Geschäftshäusern. Die zentrale Plaza de Mayo wird vom Museo del Cabildo, der klassizistischen Catedrale Metropolitan und der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast, gesäumt. 1873 ließ Präsident Sarmiento rote und weiße Farbe, die Symbole der verfeindeten Lager, mischen und den Präsidentenpalast rosa anstreichen. Die Farbe gab dem Palast seinen Namen - sie soll die Einheit Argentiniens symbolisieren.

Argentinische Politik und politische Widersprüche wurden und werden auch heute noch auf der davor liegenden Plaza de Mayo ausgetragen. Hier wurde die Unabhängigkeit von Spanien verkündet, hier hielt Evita Peron zündende Reden und 1982 wurde hier der Beginn des Falklandkrieges bejubelt. Während der Militärdiktatur wurden mutige Demonstrationen durchgeführt und bis heute vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht eine politische Gruppe vor dem Präsidentenpalast Aufmerksamkeit verschafft.

In La Boca hatte man andere Sorgen. Im 19. Jahrhundert siedelten sich hier vorwiegend ärmere italienische Einwanderer an, und auch heute gehört dieser Bezirk zu den ärmsten der Stadt. Der Reiz, den La Boca auf viele Besucher von Buenos Aires ausübt, ist in seiner Ursprünglichkeit begründet. Die wellblechverkleideten Häuser sind knallbunt angestrichen und erlangten damit eine gewisse Berühmtheit. Immer mehr Touristen besuchten dieses Stadtviertel und mit den Touristen kam eine entsprechende Infrastruktur - Restaurants, Bars, Kneipen und Läden. Die El Caminito wurde zur Touristenmeile, aber schon einen Block abseits sahen wir Armut und Verfall. Die meisten Bewohner von La Boca kämpfen täglich ums Überleben. So verwundert es auch nicht, dass es vor allem nachts immer wieder Überfälle auf Touristen gibt.

08.12.2011 – An der Atlantikküste - Wale, Pinguine und mehr

Nach den heißen Tagen in Buenos Aires freuten wir uns auf die Fahrt entlang der Atlantikküste. Wir fuhren durch kleine verschlafene Fischerdörfer und durch Mar del Plata, dem größten Urlaubsort Argentiniens mit über 2 Millionen Besuchern während der Hochsaison. Wir waren fasziniert vom exklusiven Cariló, einem Seebad für die oberen Zehntausend, und überrascht, wie ausgestorben einige Badeorte außerhalb der Hochsaison waren. In Villa Gesell lösten wir ein Versprechen aus Panama ein. Damals trafen wir Tea, eine nette Argentinierin, der wir versprachen, bei ihr vorbei zu kommen, wenn wir in der Nähe sind. Tea spricht ausgezeichnet Deutsch, und so verging der Nachmittag viel zu schnell, mit aufschlussreichen Diskussionen über Argentinien und die aktuelle Situation im Land. Immer wieder hörten wir, dass die übertrieben soziale Politik der Präsidentin, die besonders die Erwerbslosen und Armen mit Geldleistungen unterstützt, hemmend für das Land sei. Viele Argentinier lebten lieber von einem Sozialplan, als sich Arbeit zu suchen.

Südlich von Bahía Blanca wurde die Strecke dann wieder eintönig, Hunderte Kilometer nur Wind und Pampa. Wir fuhren flott und ohne viel Aufenthalt, unser Ziel waren die einmaligen Tierkolonien an der südargentinischen Atlantikküste. In La Loberia dann das erste Highlight, bis zu 2000 Seelöwen leben in einer Kolonie am Strand. Leider war das dazugehörige Visitor- und Besucherzentrum geschlossen. Was nun? Wir hatten ja schon mehrere Seelöwenkolonien gesehen, aber Kathi hatte sich so darauf gefreut. Das kleine Tor war kein wirkliches Hindernis und nach wenigen Metern standen wir an der Steilküste und konnten von oben unzählige Seelöwen beobachten. Sieht man ihre schwerfällige Fortbewegung an Land, dann will man kaum glauben wie schnell und geschmeidig sie sich im Wasser bewegen und mit dem Maul Fische fangen. Hunderte von ihnen waren gleichzeitig auf Nahrungssuche in der Atlantikbucht - es ist unglaublich, welchen Fischreichtum es hier noch gibt. Interessant waren auch die Drohgebärden und die teilweise blutigen Machtkämpfe der Bullen um die Vorherrschaft im Harem. Selbst die heranwachsenden Bullen imitierten diese Kämpfe, bei ihnen war es jedoch noch ein Spiel.

Unser nächstes Ziel war die Halbinsel Valdes, hier wollten wir Wale beobachten. Die riesigen Meeressäuger halten sich zwischen Oktober und Mitte Dezember in den warmen Gewässern um die Halbinsel auf und bringen dort ihre Jungen zur Welt. Etwas enttäuscht waren wir, als uns ein Rancher im Visitorcenter sagte, dass keine Wale mehr da sind. „Dann hat es auch keinen Zweck, eine teure Whale-Watching-Tour zu buchen“ meinte Kathi. Einen Tipp von zwei Deutschen folgend fuhren wir in eine Bucht, nahe dem Hauptort Puerto Piramíde, wo es auch erlaubt war, im Wohnmobil zu übernachten. Am Strand standen einige Touristen und beobachteten ganz angestrengt die Bucht - und dann sahen wir sie auch. Nur wenige Meter vom Ufer entfernt lag, lang und groß wie ein riesiger Baumstamm, ein Wal im Wasser. Ein Walbaby schwamm daneben, tauchte immer wieder auf und prustete Wasser in einer Fontäne in die Luft. Mindestens 30 Minuten lag die Walkuh ruhig im Wasser und beobachtete das ausgelassene Umhertollen ihres Nachwuchses, dann setzte sich immer wieder eine freche Möve auf ihren Rücken und pickte darauf herum. Die Walkuh wurde aktiv, sie tauchte unter, kam dann, eine Wasserfontäne ausblasend wieder nach oben und zeigte dabei ihre wirkliche Größe. 16 Meter lang und bis zu 54 Tonnen schwer kann so ein Bartenwal werden, und ich glaube, wir hatten ein solches Prachtexemplar vor uns. Jeder am Ufer hielt die Luft an oder unterhielt sich nur im Flüsterton. Mit tiefen Tönen, die aus einem riesigen Resonanzkörper zu kommen schienen, verständigten sich die Wale untereinander. Als ob sie uns noch eine kleine Abschiedsvorstellung geben wollten, zogen sie ein letztes Mal ganz nahe am Ufer vorbei und zeigten uns ihre mächtigen Schwanzflossen, ehe sie langsam und majestätisch in die Bucht hinaus schwammen. Noch Stunden danach waren wir sprachlos und tief beeindruckt, wir hatten ein Wunder der Tierwelt in freier Natur erlebt. Es war die eindrucksvollste Tierbeobachtung unserer bisherigen Reise.

Etwas ganz anderes erlebten wir in Punta Tombo. Diesmal waren die Tiere kleiner, viel kleiner, nur etwa 60 Zentimeter groß, dafür waren es unfassbar viele. Wir waren zu Besuch in einer Pinguinkolonie, südlich von Valdes. An der argentinischen Atlantikküste gibt es mehrere solcher Kolonien, aber die in Punta Tombo ist die größte. 700.000 Magellanpinguine nisten hier für sechs Monate, sie bringen ihre Jungen zur Welt und ziehen sie auf, bis sie flügge sind. Im März werden es dann über 1 Million Pinguine sein, die nach Norden, vor die brasilianische Küste schwimmen und dort ein halbes Jahr ausschließlich im Meer leben.

Auf abgegrenzten Wegen liefen wir durch die Kolonie und wundern uns, wie wenig scheu die Pinguine waren. Oftmals mussten wir stehen bleiben, denn die Pinguine hielten sich nicht, so wie wir, an ihre Wege und dann hatten sie natürlich „Vorfahrt“. Es war so putzig, wie die kleinen Vögel in ihrem Frack vor uns herwatschelten und dabei so ungeschickt waren, dass sie über Steine stolperten oder sich gegenseitig umrempelten. Wir fragten uns, wie die Tiere ihr eigenes Nest wieder finden. Hier stand Strauch an Strauch, Erdloch an Erdloch und überall saßen und brüteten Pinguine. Manchmal schien es uns so, als ob sie ihr Nest suchten. Sie liefen in eine bestimmte Richtung, ließen den Blick schweifen und drehten sich dann auf dem „Absatz“ um. Wir konnten uns das Schmunzeln nicht verkneifen. Beim Anblick dieser unzähligen Tiere, die ohne Scheu um uns herum spazierten, musste ich daran denken, welchen Aufwand wir vor einigen Wochen betrieben hatten, um nur einige wenige Tiere zu sehen. Auf Chiloe fuhren wir extra mit einem Boot zu einer kleinen Insel und waren glücklich, drei oder vier Pinguine von der Ferne zu sehen und einige unscharfe Fotos zu machen, und hier – es war wieder ein Naturwunder, welches wir mit eigenen Augen sehen und erleben konnten.

20.12.2011 – Feuerland - weiter südlich geht es nicht

Über 1500 Kilometer waren es noch bis Feuerland. Wir fuhren auf der Ruta 3 durch spärlich besiedeltes Gebiet, nur einige kleine Städte lagen an der Strecke und brachten etwas Abwechslung in die eintönige Fahrt. Comodoro Rivadavia war da eine Ausnahme. Ursprünglich nur als Hafen für die Verschiffung der landwirtschaftlichen Produkte geplant entwickelte sich Comodoro Rivadavia, nachdem in der Gegend Erdöl gefunden wurde, zur größten Stadt im südlichen Patagonien. Heute kommen über 30 Prozent des argentinischen Erdöls aus dieser Gegend. Schön ist sie nicht, diese schnell gewachsene Stadt, die vor allem in den Randgebieten aus alten baufälligen Häusern besteht. Im Zentrum der Stadt ist dagegen alles vorhanden, was die gut verdienenden Erdölarbeiter brauchen, um ihr Geld auszugeben. Einkaufszentren, Supermärkte, unzählige Autohäuser und ein großes Spielkasino stehen hier, aber alles ist recht unstimmig zusammengewürfelt und ohne einen eigenen städtischen Charakter.

Von dem kleinen überschaubaren Flughafen in Comodoro Rivadavia ist unsere Tochter dann nach Deutschland zurückgeflogen und wir haben uns durch den patagonischen Wind und die Einsamkeit der Pampa weiter nach Süden gekämpft.

Nur wenige Kilometer vor der Magellanstraße, die Feuerland vom Festland trennt, mussten wir wieder nach Chile einreisen. Der argentinische Teil Feuerlands und Ushuaia waren nur so zu erreichen. Die schlechten Erinnerungen an unsere erste Einreise nach Chile und die Probleme, die wir mit der chilenischen Gesundheitsbehörde wegen Basko hatten, waren uns noch gegenwärtig. Diesmal lief aber alles problemlos ab, unser europäischer Tierpass und die darin vermerkten Impfungen genügten den Beamten - und uns fiel ein Stein vom Herzen.

Die Fähre schwankte leicht, als wir die Magellanstraße an ihrer engsten Stelle überquerten. Delfine begleiteten unser Fährschiff und eine halbe Stunde später fuhren wir bei Sonnenschein und absoluter Windstille von Bord. Irgendwie hatten wir es uns anders vorgestellt. Schon der Name Feuerland löste in uns Assoziationen aus wie Kälte, Regen, Schneeschauer, Finsternis und Sturm. Vor fast 500 Jahren, am 1. November 1520, war ein furchtbarer Sturm der Auslöser dafür gewesen, dass Magellan die nach ihm benannte Ost-West-Passage entdeckte. Zwei seiner Schiffe wurden in eine Bucht getrieben, die sich dann im weiteren Verlauf als Durchfahrt vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean erwies. Auf dem Land südlich des Kanals sah er nachts Rauch und Feuer und nannte es „Tierra del Fuego – Land des Feuers“. Anders als wir hat Magellan Feuerland niemals betreten.

Noch 40 km fuhren wir auf der neuen Straße bis zum chilenischen Erdölcamp Cerro Sombrero, wo wir direkt auf der kleinen Plaza übernachteten. Der nächste Tag brachte Veränderungen. Nicht nur das Wetter zeigte sich typisch „feuerländisch“ mit Nebel, stürmischem Wind und Schneeschauer, auch die neue Straße endete 5 Kilometer hinter Cerro Sombrero und die 120 km bis zur argentinischen Grenze rumpelten wir über eine grobe Schotterpiste. Auf der argentinischen Seite Feuerlands hatten wir dann endlich wieder Asphalt unter den Rädern. Je weiter wir nach Süden kamen, umso mehr ging die bisher vorherrschende Pampa in eine Landschaft mit Bergen, Wäldern und Seen über. Was von Weitem noch wie eine gesunde Gebirgslandschaft aussah, zeigte sich bei näherer Betrachtung als eines der kritischsten Probleme auf Feuerland. Weite Waldflächen standen unter Wasser, die Bäume waren kahl und überwiegend abgestorben. Grund dafür war die unkontrollierte Vermehrung des kanadischen Bibers, der hier angesiedelt wurde und keine natürlichen Feinde hat.

Bei Schneefall und Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt erreichten wir Ushuaia - die südlichste Stadt der Welt. Ihre Lage, direkt am Beagle-Kanal, umgebenen von Gletschern und schneebedeckten Bergen, ist einmalig. Die Stadt selbst ist aber eine zu schnell gewachsene Ansiedlung aus einfachen Holzhäusern, Provisorien und einer sehr touristisch aufgepeppten Innenstadt. Von „bunt und lebhaft“ bis zu „heruntergekommen und schmutzig“ reichte die Meinungsvielfalt ihrer Besucher. Für uns machte gerade dieser Gegensatz den Reiz Ushuaias aus, und in der südlichsten Stadt der Welt kann man auch mal ein Auge zudrücken. Hoch über der Stadt liegt der Gletscher Martial, von dem wir einen grandiosen Blick über den Beagle-Kanal bis zu den Bergen der chilenischen Isla Navarina hatten, auf der sich die südlichste Siedlung der Welt, Puerto Williams, befindet. Nach Puerto Williams kann man nicht mit dem Auto fahren. Der südlichste, auf einer Straße erreichbare Punkt ist die Bahia Lapataia, etwas südwestlich von Ushuaia im Nationalpark Tierra del Fuego gelegen. Auf dem Weg dorthin passierten wir den südlichsten Golfplatz der Welt, den südlichsten Bahnhof und die südlichste Polizeistation.
Und dann ging es nicht mehr weiter – wir hatten das Ende der Ruta 3 und den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Auf der Infotafel stand, dass Alaska ‚nur’ 17.848 Kilometer entfernt ist. Wir haben für diese Strecke fast zweieinhalb Jahre und über 80.000 Kilometer gebraucht.