Donnerstag, 17. November 2011

21.08.2011 – 18.10.2011: Zentral- und Südchile – Wälder, Seen und Naturgewalten


24.08.2011 – In den fruchtbaren Andentälern

Je weiter wir nach Süden kamen, umso mehr war die bisher karge Wüste mit Kakteen, Sträuchern und anspruchslosen Bodenpflanzen durchsetzt. Dann wurde die Vegetation immer dichter, grüner und üppiger. Das wechselfeuchte subtropische Klima und die wasserreichen Flüsse, die aus den Kordilleren talwärts flossen, haben wundervolle Vegetationsoasen geschaffen. Obst und Wein gedeihen in diesen fruchtbaren Tälern am besten und während das Obst meist getrocknet wird, produziert man aus dem süßen vollmundigen Wein den besten Pisco des Landes.

Im Valle de Elqui und im oberen Huasco-Tal stehen die großen Destillerien, die für ihre Spitzenprodukte Capel, Mistral und Alto del Carmen bekannt sind. Noch delikater, aber auch wesentlich teurer, sind die in kleinen Familienbetrieben handwerklich und traditionell hergestellten Pisco-Brände, welche man bis zu 15 Jahren in Eichenholzfässern reifen lässt.

Die Gegend nordöstlich von La Serena ist jedoch nicht nur für benebelnde hochprozentige Spirituosen bekannt, sondern auch für ihre klare und saubere Luft in Höhenlagen zwischen 2000 und 2500 Metern. Die Inversionsschicht des Küstennebels hält alle störenden Staubpartikel fest und garantiert an 350 Tagen im Jahr einen fantastischen Sternenhimmel. So verwunderte es nicht, dass auf vielen Bergen die Kuppeln von riesigen Observatorien zu sehen waren, drei der weltweit wichtigsten befinden sich in dieser Gegend. So steht auf dem Berg La Silla ein Observatorium des europäischen ESO-Projektes (ESO - European Southern Observatory). Leider konnten wir diese technischen Wunder nicht besuchen, monatelange Voranmeldung und eine beschwerliche Anfahrt haben uns eine Besichtigung unmöglich gemacht.

Bei Vacuña gibt es das kleine Observatorium Mamalluca, in dem nächtliche Führungen zur Himmelsbeobachtung angeboten wurden. Wir erlebten eine absolut interessante astronomische Präsentation und konnten die Planeten, unsere Milchstraße und sogar eine abklingende Supernova beobachten. Diese Tour hat uns begeistert und unser Interesse an der Himmelsbeobachtung neu geweckt.

Auf der Weiterfahrt in Richtung Santiago mieden wir die autobahnähnlich ausgebaute Ruta 5, wo es nur ging. Das Fahren auf dieser Schnellstraße war nicht nur langweilig, sondern auch teuer. Alle 70 bis 80 km befand sich eine Mautstelle, und die Gebühr war unmoralisch hoch. Da unser Ford Transit Zwillingsreifen hat, mussten wir den teuren Lkw-Tarif, jeweils fast acht Euro, bezahlen. Hinter Los Vilos gab es endlich wieder eine küstennahe Alternativstrecke, auf der wir durch kleine Küstenorte bis Viña del Mar und weiter nach Santiago fuhren.

03.09.2011 – Santiago – hier schlägt das Herz Chiles

Von Westen her erreichten wir Santiago de Chile. Während wir noch durch die ruhigen Vororte fuhren, sahen wir schon das moderne Zentrum der Hauptstadt mit seinen Hochhäusern und der dahinter aufragenden schneebedeckten Bergkulisse der Anden. Es war einer der wenigen Tage, an dem Santiago smogfrei war. Wie viele andere Großstädte in Lateinamerika hat auch Santiago mit Überbevölkerung und der damit einhergehenden massiven Luftverschmutzung zu kämpfen. Im Großraum Santiago leben über 6 Millionen Menschen, rund 40 % der chilenischen Bevölkerung. Um den Individualverkehr etwas einzudämmen, sind die großen Ausfallstraßen und Stadtautobahnen mautpflichtig. Es wird ein automatisches Mautsystem eingesetzt, welches das Kennzeichen liest und dann den Mautbetrag auf einem Konto verbucht. Ob wir als Ausländer auch bezahlen müssen und wie das dann abläuft, haben wir nicht ermitteln können. Mit unserem „ALEMANIA“ an der Front waren wir anonym unterwegs, sind quer durch die ganze Stadt zum Flughafen gefahren und haben nichts bezahlt. Vielleicht war es eine ausgleichende Gerechtigkeit für die Abzocke auf der Panamericana.

Pünktlich 9:00 Uhr landete die Maschine aus Madrid und kurze Zeit später kam unsere Sohn Felix, vom langen Flug sichtlich übermüdet und abgekämpft, durch die Passkontrolle auf uns zu. Nach über einem Jahr konnten wir unseren Großen wieder in die Arme nehmen und uns auf drei gemeinsame Urlaubswochen freuen. Etwas außerhalb des Flughafens frühstückten wir erstmal ausgiebig, tauschten Neuigkeiten aus und besprachen die geplante Reiseroute. Als Erstes wollten wir uns Santiago ansehen.

Von anderen Reisenden hatten wir erfahren, dass es am Fuße des Cerro San Cristóbal einen bewachten Parkplatz gibt, auf dem wir recht sicher stehen könnten. Der Tipp war gut und der Platz beim Park Metropolitano ein idealer Ausgangspunkt, um die Stadt und auch den Cerro San Cristóbal zu erkunden. Der San Cristóbal ist die höchste Erhebung in der Stadt und auf seinem Gipfel thront ein Wahrzeichen Santiagos, die 22 m hohe Statue der Jungfrau Maria – ein Geschenk Frankreichs aus den 1920er Jahren. Auf dem Berg befinden sich einige Restaurants, Imbissstände und Grillplätze. Es ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Santiago und wir fühlten uns hier wie auf einem Volksfest - überall wurde gegrillt, gegessen, gespielt und gelacht. Leider war der Himmel bewölkt, die Sicht auf die Stadt sehr schlecht und dann fing es auch noch zu regnen an. Das geht ja gut los, dachte ich und hoffte, dass uns keine drei Wochen Regen bevorstehen. Die ganze Nacht trommelte der Dauerregen auf unser Wohnmobildach, aber am nächsten Morgen war alles vergessen. Die Sonne lachte und die Luft war sauber und klar - also beste Voraussetzungen für eine Stadtbesichtigung.

Die moderne Metro brachte uns schnell zur Station Santa Lucia. Gleich neben der Metrostation erhebt sich der kleine Cerro Santa Lucia. Hier wurde Santiago im Jahre 1541 gegründet. Der Hügel hatte bis ins 19. Jahrhundert eine wichtige strategische Bedeutung und wurde dann zu einem Park umgestaltet, der heute zu den schönsten Plätzen in Santiago zählt. Über eine monumentale neoklassizistische Treppe bestiegen wir den kleinen Berg. Von oben hatten wir den besten Überblick über die Stadt. Santiago hat kaum historische Gebäude. Die Stadt wurde, wie das ganze übrige Land auch, regelmäßig von Erdbeben heimgesucht, sodass heute kaum ein Gebäude älter als 150 Jahre ist. Auch das mangelnde Interesse der spanischen Krone an Chile, es gab hier weder Silber noch Gold, war ein weiterer Grund für das Fehlen eines historischen Stadtkerns.

Der in den 1930er Jahren begonnene Stadtumbau zu einer modernen industrialisierten Metropole hat aber auch unbestritten seinen Reiz. Fußgängerzonen und weitläufige Grünanlagen liegen zwischen den belebten Hauptstraßen. An der Plaza de Armas, dem zentralen Platz in Santiago, trifft man sich zum sonntäglichen Plausch oder zum Kaffeetrinken. Das geruhsame Tempo steckte an, wir saßen in der Frühlingssonne und ließen das bunte Leben auf der Plaza auf uns wirken.

Ein Muss bei jeder Stadtbesichtigung ist der Palacio de la Moneda - der Präsidentenpalast. Vieles in der jüngeren chilenischen Geschichte ist mit diesem Palast verbunden. Am 11. September 1973 war er der Schauplatz des blutigen Staatsstreiches gegen Allende. Das Gebäude wurde bombardiert und Allende beging hier Selbstmord. Erst im Jahre 2000 öffnete der neu gewählte Präsident Lagos, als eine seiner ersten Amtshandlungen, die Moneda wieder für das chilenische Volk.

Auf unserem Rückweg besuchten wir noch die berühmte Markthalle Santiagos, eine in England gefertigte Konstruktion aus Stahl und Glas. Im Bauch von Santiago, wie die Markthalle im Volksmund auch genannt wird, reihte sich eine gehobene Fischgaststätte an die andere. Es wirkte alles richtig exklusiv. Nur an ganz wenigen Marktständen wurde noch Obst, Gemüse oder frischer Fisch verkauft. Wir freuten uns auf ein leckeres Abendessen in einem der Fischrestaurants, was dann aber doch eher eine Enttäuschung wurde. Während Seeaal und Schwertfisch recht ordentlich zubereitet waren, hatte Petra Pech. Ihr gegrillter Lachs stank schon von Weitem und verdarb uns allen den Appetit. Es war ein unschöner Abschluss eines sonst sehr schönen Tages und unser Entschluss stand fest: Wir werden in Zukunft auf teure Gaststättenbesuche verzichten. Der von Petra im Wohnmobil gebrutzelte Fisch kann es jederzeit mit dem aus den besten Fischrestaurants aufnehmen.

08.09.2011 – Valparaiso und Viña del Mar – zwei ungleiche Schwestern

Von Santiago fuhren wir zurück an die Küste. Valparaiso und Viña del Mar waren unsere nächsten Ziele. Die beiden Orte haben jeweils annähernd 300.000 Einwohner, dies und ihre benachbarte Lage an der Bahia Valparaiso sind jedoch die einzigen Gemeinsamkeiten, die wir erkennen konnten.

Valparaiso hat wohl seine besten Tage schon hinter sich, waren unsere ersten Gedanken, als wir durch die ärmlichen Vororte fuhren. Unser Reiseführer bezeichnete Valparaiso als eine der schönsten Städte der Welt, als kulturelle Hauptstadt des Landes mit einer einmaligen Kolonialzeitarchitektur - aber wir sahen nur Schmutz, Verfall und Armut. Die Plaza Sotomayor, der Hauptplatz der Stadt mit dem Denkmal für die Seehelden von Iquique und dem alles überragenden Marineamt, war schön herausgeputzt, aber schon wenige Schritte weiter wurden wir von einem Security-Mitarbeiter gewarnt, auf dieser Straße weiterzugehen. Seine Handbewegung am Hals war eine eindeutige Geste. Dabei wollten wir gerade den ältesten Schrägaufzug der Stadt, den 1855 erbauten Ascensor Cordillera, benutzen. 16 solcher altertümlichen Aufzüge gab es in der Stadt, die sich über Hunderte Höhenmeter an den steil aufragenden Hügeln hochzieht. Die Aufzüge haben die Besiedlung erleichtert. Heute sind viele dieser für Valparaiso typischen Schrägaufzüge stillgelegt und die wenigen, die seit rund 150 Jahren bis heute ihren Dienst verrichten, waren für uns nicht sehr vertrauenerweckend. Etwas mulmig war es uns schon, als wir in den klapprigen Holzverschlag des Ascensor El Peral eingestiegen und sich der Aufzug knarrend und quietschend in Bewegung setzte. Die einheimischen Fahrgäste sahen uns wohl unsere Aufregung an und lachten. Sie leben ständig mit dieser Gefahr. Sogar das Auswärtige Amt warnte vor der Benutzung - aber einmal muss man schon mit so einer Klapperkiste gefahren seien.

Oben angekommen hatten wir einen traumhaften Blick über die tiefer liegenden Stadtteile und den Hafen. Langsam erkannten wir den Charme von Valpo, wie die Stadt hier genannt wird. Interessant ist das Nebeneinander von heruntergekommenen baufälligen Häusern und aufwendig restaurierten Kolonialbauten, in denen sich heute teure Gaststätten oder Luxushotels befinden. Die bewegte Geschichte der Stadt - Aufstieg, Niedergang und Neuanfang - spiegelte sich im heutigen Valpo wider. Im 19. Jahrhundert war Valparaiso der größte Hafen des gesamten Pazifikraumes. Dann, mit Eröffnung des Panamakanals und mit dem Rückgang der Salpeterexporte verkam die Stadt bis zur Bedeutungslosigkeit. Erst seit dem Wirtschaftsboom der 1980er Jahre floss auch wieder Geld nach Valpo. Mit diesem Wissen gelang es uns, die Stadt mit anderen Augen zu sehen. Es ist eine Stadt im Umbruch, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und heute im Wettlauf mit dem rasant voranschreitenden Verfall. Eines muss man Valpo aber lassen, die Stadt hat Charakter, was man von Viña del Mar nicht unbedingt behaupten kann.

Es ist schön in Viña, es ist sauber, ordentlich und fast alles ist neu erbaut. Hotels, Gaststätten, Casinos und unzählige Ferienwohnungen säumen den schönen Sandstrand und machen diesen Ort zu einem der beliebtesten Seebäder Chiles. Mit unserem Wohnmobil fühlten wir uns hier viel sicherer als in Valpo, aber die Stadt hat nichts Eigenes, nichts Typisches. Sie könnte genauso auch in Mexiko, in Spanien oder sonst wo auf der Welt stehen.

Das Schöne an diesen zwei so unterschiedlichen Städten ist jedoch, dass man sich nicht für eine entscheiden muss. Zwischen Valpo und Viña liegen Welten, aber sie sind nur 10 km voneinander entfernt.

12.09.2011 – An der Küste weiter südwärts

Nach dem dicht besiedelten Ballungsraum um Santiago und Valparaiso tat es gut, wieder durch eine ruhigere Gegend zu fahren. Bei Algarrobo erreichten wir wieder die Küste, die hier rau und mit mächtiger Brandung auf den breiten Sandstrand aufläuft. Vielleicht war diese schwere See auch der Grund, dass hier ein Weltrekord-Bauwerk entstand. Vor einer gewaltigen Ferienanlage erstreckt sich der größte Swimmingpool der Welt – mit über 1000 m Länge und einem Fassungsvermögen von 250 Millionen Liter Wasser. Der Parkplatz neben der Ferienanlage war gut für eine Nacht und einen WiFi-Internetzugang gab es noch gratis dazu.

Nur wenige Kilometer weiter liegt Isla Negra, ein kleiner Fischerort, der durch das Pablo-Neruda-Haus, dem größten und schönsten der drei Neruda-Häuser, bekannt geworden ist. Neruda hatte nicht nur beim Schreiben große Ideen und viel Fantasie, sondern ebensolche auch beim Bau und der fortwährenden Veränderung seiner Häuser. Ständig wurde etwas umgebaut, erweitert und geändert. Ein Baumeister und ein Zimmermann hatten eine Festanstellung bei Neruda. Dem Haus sieht man Nerudas Liebe zum Meer an. Er sammelte alles, was mit der Seefahrt zu tun hatte. Muscheln, Buddelschiffe und Galionsfiguren zieren die Wände und das Esszimmer ist einer Hafenkneipe nachempfunden.

So maritim eingestellt erreichten wir San Antonio, die größte Hafenstadt südlich von Valparaiso. Wir kamen gerade richtig zum wöchentlichen Fischmarkt. Es war ein Erlebnis, die riesigen Berge an exotischen Fischen und Meeresfrüchten zu sehen. Gleich neben den Fischständen rekelten sich Seelöwen auf den Felsen und die Pelikane zankten sich lautstark um die Fischabfälle. Wir kauften Schwertfischfilet, eine in Deutschland ausgesprochen seltene Delikatesse, und bezahlten gerade mal 3,50 € pro Kilo. Dann erstanden wir auch noch frisch geräucherten Reineta. Es ist einer der beliebtesten Speisefische in Chile und geräuchert haben wir ihn bisher noch nie bekommen.

Mit Fisch waren wir jetzt gut versorgt, und da die Stadt nicht viel Sehenswertes bot, fuhren wir bald weiter. Unsere Fahrt führte uns auf kleinen Nebenstraßen, abseits der mautpflichtigen Panamericana, an der Küste südwärts. Oft staunten wir über neu gebaute Strandpromenaden, Schulen, Vereinshäuser und öffentliche Gebäude. Hier wurde in den letzten Jahren viel staatliches Geld investiert und wieder aufgebaut, was durch verheerende Naturgewalten zerstört wurde - wir waren in der gefährlichsten Erdbebenregion Chiles. Bis zu 500, meist jedoch nur kleinere Beben werden jedes Jahr aufgezeichnet, aber alle paar Jahre kommt es zu einer regelrechten Naturkatastrophe. In Concepción steht kein einziges historisches Gebäude, alles ist modern, nüchtern und funktional. Die Geschichte der Stadt ist ein einziges Horrorszenario. Sechsmal wurde die Stadt bisher durch Erd- oder Seebeben zerstört oder großflächig beschädigt. Das letzte große Erdbeben von 2010 hatte sein Epizentrum auch wieder in der Nähe von Concepción. Es wurden solch gewaltige Kräfte freigesetzt, dass die gesamte Stadt um 3 Meter nach Westen verschoben wurde. Kein Wunder, dass viele Chilenen hier nicht mehr wohnen möchten und wegziehen. Auch für Touristen und Gäste bietet die Stadt nicht viel Sehenswertes - wir ließen die Stadt schnell hinter uns.

Hunderte Kilometer fuhren wir durch weitläufige Waldplantagen. Der wilde chilenische Wald mit den typischen Andenlärchen, den Eichen und Buchen ist schon lange abgeholzt. Während der Militärdiktatur unter Pinochet wurde der Holzeinschlag subventioniert. Die Chilenen schafften es, den ursprünglichen Wald in einer Geschwindigkeit abzuholzen, die sogar das Tempo in den brasilianischen Amazonaswäldern übertraf. Heute setzt man auf schnell wachsende Kiefern und Eukalyptusbäume. Die ganze Gegend lebt von der Holzwirtschaft. Die Straßen wurden von Holztransportern dominiert und im Abstand von wenigen Kilometern stehen Zellulose- und Holzfabriken. Über einfache Hafenanlagen, die nur aus einer Landungsbrücke und einem Förderband bestehen, wurde das Holzgranulat dann auf Schiffe verladen und in alle Welt verkauft. Chile hält den zweifelhaften Rekord, eines der Länder mit den umfangreichsten Waldplantagen weltweit zu sein.

17.09.2011 – Im chilenischen Seengebiet

Südlich von Temuco kreuzten wir die Panamericana und fuhren in Richtung Andenkette. Hier liegt, eingebettet zwischen dichtem Mischwald, Feldern und grünen Weiden, das chilenische Seengebiet. Schon von Weitem sehen wir den Vulkan Villarrica. Mit seiner idealen Kegelform zählt er zu den schönsten Vulkanen Chiles. Auf der Fahrt zum gleichnamigen See war er unser Wegweiser.

Am Abend begann es stark zu regnen und auch die ganze Nacht trommelte der Dauerregen auf das Dach unseres Wohnmobils. Ideales Fahrwetter für unseren Kurzausflug nach Argentinien, dachten wir. Da unser Visum und die Einfuhrerlaubnis für das Wohnmobil nur noch eine Woche gültig waren, wollten wir mit einem Grenzübertritt beides erneuern. Felix hatte sich bereit erklärt, mit Basko und den einfuhrverbotenen Lebensmitteln auf der chilenischen Seite in einer Gaststätte zu warten. Es regnete immer noch, als wir am nächsten Morgen in Richtung Argentinien aufbrachen. Über Pucon und Curarrehue kamen wir auf guter Straße flott voran, dann ging es ziemlich steil bergauf zum Grenzpass nach Argentinien. Der Regen der letzten Nacht war hier als Schnee gefallen und je höher wir kamen, umso kritischer wurden die Straßenverhältnisse. Mittlerweile gab es nur noch eine Spur aus festgefahrenem Schnee. Wir hatten keine Schneeketten und unsere Reifen waren für diese Straßenverhältnisse nicht geeignet. Wie sollten wir ausweichen, wenn uns ein Fahrzeug entgegen käme? Wir wollten das Winterabenteuer so schnell wie möglich abbrechen, aber leichter gesagt als getan. Die Straße war zu schmal, es gab keine Möglichkeit zum Wenden. Dann kamen uns zwei argentinische Fahrzeuge entgegen. Beim Ausweichen rutschten wir in den hohen Schnee und kamen nicht mehr los. Die Argentinier hielten sofort an und wollten uns helfen das Wohnmobil rauszuschieben, aber wir saßen zu tief im Schnee fest. Da half nur Schnee schaufeln. Mit unserem Klappspaten haben Felix und ich eine Spur für die angetriebenen Räder freigeschaufelt und wir waren gerade dabei auch noch etwas Freiraum auf der Straße zu schaffen, als wir den Schneepflug hörten. In kurzer Zeit hatte das schwere Räumfahrzeug eine Stelle zum Wenden frei geschoben uns aus dieser kritischen Situation befreit.

Als wir wieder talwärts rollten, waren wir erleichtert und froh, dass nichts Schlimmeres passiert war. Wir hatten die Wettersituation am Malal-Pass völlig falsch eingeschätzt. Ein Besuch der Thermen in Trancura rettete uns dann den trüben und kalten Tag.

Der nächste Morgen begrüßte uns mit frostigen Temperaturen, klarem Himmel und Sonne pur. In Pucon, einem netten kleinen Touristenort, der uns etwas an Banff in Kanada erinnerte, verbrachten wir den Tag. Der gepflegte Ort liegt am Ufer des Lago Villarrica, am Fuße des gleichnamigen Vulkans, der mit einer Rauchwolke darauf aufmerksam machte, dass er zu den aktiven Vulkanen Chiles zählt.

Unserer weitere Fahrt führte uns über wunderschöne Panoramastraßen nach Süden. Immer neue Ausblicke auf malerische tiefblaue Seen, eingerahmt von den schneebedeckten Andengipfeln, veranlassten uns wiederholt anzuhalten und dieses Bilderbuchpanorama regelrecht in uns aufzusaugen. Wir befanden uns in einer der schönsten Gegenden Chiles und manches hier verursachte bei uns heimatliche Gefühle. Nicht nur die Landschaft, die uns an die Alpen erinnerte, sondern auch die gepflegten Häuser mit ihren blumengeschmückten Fenstern und Balkonen. In den Vorgärten blühten bunte Frühlingsblumen und in deutscher Sprache wurden Pensionszimmer, landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Kuchen angeboten.

In Puerto Octay trafen wir Christian. Er sprach ein ausgezeichnetes Deutsch und war stolz auf seine deutschen Vorfahren. Seine Urgroßeltern kamen 1880 aus Süddeutschland nach Chile. Die chilenische Regierung suchte damals nach einwanderungswilligen Deutschen, um die südchilenische Wildnis zu besiedeln. In über 30 deutschen Tageszeitungen wurde inseriert und 1846 kamen die ersten Deutschen nach Chile. Bis zur Jahrhundertwende waren es dann über 10.000 Einwanderer, die sich im Kampf gegen Schlamm, Regen und fast undurchdringlichen Urwald eine neue Existenz aufbauten. Heute erinnert manches an diese schweren Jahre. In vielen Vorgärten stehen noch die ersten Pflüge oder die alten Dampfmaschinen, mit denen die Bandsägen angetrieben wurden. Die deutsche Besiedlung in Südchile war eine Erfolgsstory. Produkte aus den sauber geführten Farmen waren und sind bis heute noch genauso gefragt wie die Angebote der deutschen Restaurants, Bäckereien oder Hotels.

Christian war noch nie in Deutschland, aber er kannte alle großen Städte, alle Bundesländer, die aktuellen Probleme in Deutschland und die derzeitige politische Situation. Sprache und Tradition wurden in seiner, wie in den meisten deutschen Einwandererfamilien ganz konsequent bewahrt. Zum Abschied gab er uns noch den Tipp, Frutillar zu besuchen. Es wäre die deutscheste Stadt in Chile.

In Frutillar, auf Deutsch Fruchtweiler, fühlten wir uns wirklich wie in Deutschland. Der kleine Ort lebt vom Tourismus und vermarktet sehr erfolgreich seine deutschen Traditionen. Man schläft hier im „Hotel am See“, trinkt Paulaner-Bier oder Filterkaffee und isst Spätzle, Strudel oder Obstkuchen. Überall sahen wir deutschsprachige Angebote und aus den geöffneten Fenstern der deutschen Schule hörten wir deutsche Volkslieder. Unser positiver Eindruck von Frutillar änderte sich aber schlagartig, als wir dann am Seeparkplatz das große Schild sahen, auf dem in mehreren Sprachen ein generelles Parkverbot für Wohnmobile im ganzen Ort verfügt war. Solch ein Reglement hatten wir seit den USA nicht mehr erlebt. Hier haben die Stadtväter wohl etwas über das Ziel hinaus geschossen, zumal es in Chile kaum Wohnmobile gibt. Wir haben uns dann auch nicht sehr lange in Frutillar aufgehalten und sind dorthin weitergefahren, wo wir willkommen waren.

23.09.2011 – Die Insel Chiloe

„Chiloe ist wunderschön“ wurde uns immer wieder versichert, wenn wir mit Chilenen über unsere nächsten Reiseziele sprachen. „Da müsst ihr unbedingt hinfahren“. Unsere Erwartungen waren also hoch, als wir mit der Fähre über den Chacao-Kanal übersetzten und nach 30-minütiger Fahrtzeit auf der zweitgrößten Insel Südamerikas von Bord rollten. Es war ein idealer Tag, die Sonne tauchte das Meer in ein tiefes Blau und die saftigen Wiesen standen im farblichen Kontrast zum leuchtend gelben Ginster. Rinder, Schafe und auch einige Pferde standen auf den saftigen Weiden und fraßen sich am frischen Gras satt. Eine landschaftliche Idylle war unser erster Gedanke, aber beim genauen Hinsehen erkannten wir das karge und entbehrungsreiche Leben der Chiloten. Die Häuser waren klein und alt, durch die Fenster und Türen pfiff der Wind. Für den langen Winter auf Chiloe hatte man nur einen kleinen Holzofen als Heizquelle, Strom und fließendes Wasser waren keine Selbstverständlichkeit. In manchen Vorgärten standen alte verrostete Pick-ups - Zeichen eines bescheidenen Wohlstandes auf Chiloe. Wer will heute noch so leben? Die jüngere Generation sah schon vor vielen Jahren keine Perspektive mehr auf der Insel. Das schöne ursprüngliche Leben, weswegen die Besucher aus Santiago und aus anderen großen Städten hierher kommen, ist für die Chiloten ein täglicher Existenzkampf, der sich langsam entwickelnde Tourismus die einzige Hoffnung für die Inselbewohner.

An der Westküste, bei Pumillahue, hatte man diesen Tourismus-Trend schon erkannt. Hier befindet sich eine Kolonie von Magellan- und Humboldtpinguinen. Mit einem kleinen Motorboot fuhren wir zu den Inseln des Naturschutzgebietes und konnten die putzigen Vögel beobachten. Besonders die hüpfende, fast etwas schwerfällig wirkende Fortbewegung auf dem steinigen und steilen Ufer und die Leichtigkeit, mit der sich diese guten Schwimmer im Wasser bewegten, war gut zu sehen. Die Beobachtung war übrigens nur vom Boot aus möglich, die Inseln durften nicht betreten werden. Diese Maßnahme galt vor allem den im Bestand gefährdeten Humboldtpinguinen, von denen es nur noch wenige Tausend gibt.

Am nächsten Morgen regnete es in Strömen und wir waren froh, den Ausflug zur Pinguinkolonie noch am Vortag unternommen zu haben. Die Fischer sagten uns, dies wäre das typische Wetter auf Chiloe, der Sonnenschein gestern war eine Ausnahme. Über Chiloes Wetter schrieb schon Charles Darwin im Jahre 1834 nach einem Besuch der Insel: „Im Winter ist das Klima schauervoll, und im Sommer ist es nur ein wenig besser. Ich glaube, es gibt innerhalb der gemäßigten Zonen wenige Teile der Erde, wo so viel Regen fällt. Die Winde sind sehr stürmisch, und der Himmel ist beinahe immer bewölkt“. Wie wenig sich doch in den Jahren seit damals geändert hat. Wir rumpelten über die Schotterstraße zurück nach Ancud, der Himmel hing voller dichter Wolken und der Wind trieb mit heftigen Böen Regenschauer über das Land. Die gestern noch so liebliche Landschaft war verschwunden. Alles war grau, nass und kalt.

Bis Dalcahue fuhren wir noch und quartieren uns dann direkt am Hafen ein. Die Fischerboote waren bei Ebbe auf die Seite gekippt und lagen wie gestrandet im flachen Wasser. Erst mit der nächsten Flut konnten sie wieder auslaufen, aber die wenigsten Fischer fuhren an diesen Tagen zum Fischen raus. Es gab zu wenig Nachfrage auf der Insel, erst in den Ferienmonaten wird das Geschäft wieder besser laufen. Wir verbrachten den Rest des Tages im Wohnmobil, Petra bereitete uns frischen Fisch zum Abendessen und danach machten wir es mit einem Glas Wein so richtig gemütlich.

Trotz des weiterhin trüben Wetters besuchten wir am nächsten Tag, es war der letzte gemeinsame Tag mit Felix, die Hauptstadt Castro. Hier steht die größte und imposanteste Holzkirche Chiloes. 150 dieser so typischen Kirchen wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts auf Chiloe und den Nachbarinseln erbaut, alle aus Holz und oft mit Alerceschindeln oder bunt bemaltem Blech verkleidet. 16 von ihnen sind als UNESCO-Welterbe eingestuft. Die Kathedrale in Castro ist auch deshalb so interessant, weil sie von einem italienischen Architekten als Stein- und Betonbau entworfen wurde. Da aber das Alerceholz viel billiger und auf der Insel in großer Menge vorhanden war, baute man die Kirche einfach aus Holz. Ein wirklich eindrucksvolles Bauwerk, vor allem von innen, wobei der langsame Verfall nicht zu übersehen war.

Außer der Kathedrale waren noch die Pelafitos, die berühmten bunt getünchten Pfahlhäuser Castros sehenswert. Sie sahen von der Straßenseite wie ganz normale Häuser aus, standen aber auf ihren Stelzen halb im Wasser, sodass die Fischer mit ihren Booten direkt unter die Häuser fahren konnten. So pittoresk diese bunt angestrichenen Pelafitos auch aussahen und so oft sie auch als Fotoobjekt herhalten mussten - wohnen wollte dort kaum noch jemand. Die Häuser sind nicht viel mehr als dünnwandige Bretterbuden, ohne vernünftige Heizung oder sanitäre Anlagen.

Auf unserer Rückfahrt nach Puerto Montt hielten wir noch für einen Stadtspaziergang in Ancun, aber bei diesem trostlosen und regnerischen Wetter machte es einfach keinen Spaß. Vielleicht war es nur Zufall, aber nachdem wir das Festland wieder erreicht hatten, lugte die Sonne zaghaft durch die Wolken und in Puerto Montt schien sie dann von einem fast wolkenfreien Himmel.

Am letzten Abend mit unserem Sohn saßen wir noch lange zusammen und wollten den Augenblick festhalten. Wir erzählten, machten Pläne und waren uns doch dessen bewusst, dass die gemeinsamen Tage morgen vorbei sein werden und wir uns für eine längere Zeit nicht mehr sehen. Am nächsten Morgen fuhren wir Felix pünktlich zum Flughafen nach Puerto Montt und dann fühlten wir uns wieder mindestens einen ganzen Tag so richtig einsam.

04.10.2011 – Zeugen der Naturgewalten

Einen Tag, nachdem Felix zurück nach Deutschland geflogen war, begann das schlechte Wetter mit Regen, Wind und Kälte. Es fühlte sich an wie ein nasskalter April in Deutschland. In Puerto Varas gab es einen ruhigen Parkplatz, direkt am See, und dort warteten wir auf eine Wetterbesserung. Jeden Tag hofften wir darauf, endlich zur Erkundung des Lago Llanquihue aufbrechen zu können, doch es regnete noch weitere fünf Tage. Dann begrüßte uns am Morgen ein wolkenloser Himmel und strahlender Sonnenschein. Nach einem schnellen Frühstück wollten wir nur noch los. Wir fuhren am südlichen Ufer des Lago Llanquihue entlang und staunten immer wieder über die fantastischen Ausblicke. Grüne Wiesen, tiefblaues Wasser und der schneebedeckte Vulkan Osorno, der sich am anderen Ufer des Sees erhebt und mit seiner Kegelform das Idealbild eines Vulkans darstellt. Er ist dem Vulkan Villarrica sehr ähnlich und in Chile entbrennt gelegentlich ein Streit darüber, welcher der beiden der schönere ist.

Ein nicht weniger schönes Panorama bot sich uns am kleinen Lago Todos Los Santos. Im tiefblau bis smaragdgrün schimmerndem Wasser spiegelten sich die verschneite Spitze des Cerro Tronador, dessen Gipfel direkt auf der Grenze zu Argentinien liegt, und die schroffe Felsspitze des Vulkans Puntiagudo. Noch heute ist der See von dichtem immergrünen Regenwald umgeben. Am westlichen Ufer, am Fuße des Vulkans Osorno, lagen riesige Berge schwarzer Asche und Lavagranulat. Sie stammten noch vom letzten Ausbruch des Vulkans Osorno vor mehr als 150 Jahren. Seit diesem großen Ausbruch ist es ruhig geworden um den Osorno, ungefährlich ist er deswegen noch lange nicht. Besonders die extremen Wetterumschwünge haben schon manches Bergsteigerteam kalt erwischt, einige Alpinisten haben es sogar mit ihrem Leben bezahlt. Für uns war es bei diesem ruhigen Wetter kaum eine Herausforderung, auf dem Vulkan Osorno zu fahren und etwas zu wandern. Bis zur Schneegrenze in etwa 1300 m Höhe führt eine sehr steile, aber gut befahrbare Serpentinenstraße. Hier beginnen die Bergpfade und auch ein Sessellift fuhr bis zu den unteren Vulkankratern. Leider lag an diesem Nachmittag hier oben alles in dichtem Nebel, auch der viel gerühmte Ausblick über den Lago Llanquihue blieb uns verborgen. Nach einer kurzen Wanderung freuten wir uns auf das Abendessen im warmen Wohnmobil und auf eine ruhige Nacht. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass wir kaum Schlaf finden würden. Gegen 22:00 Uhr frischte der Wind auf und rüttelte schon bedenklich an unserem Wohnmobil. Eine Stunde später hofften wir nur noch, dass wir vom orkanartigen Sturm nicht umgeworfen werden. Die Temperaturen waren innerhalb weniger Stunden bis unter den Gefrierpunkt gefallen und der eisige Regen bildete an den Wänden und Fenstern des Wohnmobils eine dicke Eisschicht. Als auch nach Mitternacht der Sturm nicht nachließ, sind wir wenigstens einige Meter in den Windschatten einer Berghütte gefahren - viel genützt hat es jedoch nicht.

Mit der ersten Dämmerung am Morgen haben wir die Abfahrt vom Vulkan gewagt. Zum Glück war die Eis- und Schneeschicht auf der Straße verharscht und rau. Ganz langsam rollten wir im ersten Gang, fast ohne zu bremsen, ins Tal. Hier unten merkten wir von dem Sturm kaum etwas, alles war ruhig, fast windstill, mit etwas Nieselregen. Jetzt konnten wir die Gefährlichkeit eines Wetterumschwungs auf dem Osorno nachvollziehen. Wie muss man sich fühlen, wenn man von solch einem Wetter auf dem Gipfel überrascht wird.

Neben vielen erloschenen Vulkanen, wie den Osorno, besitzt Chile mit 130 aktiven Vulkanen die meisten der Welt. Einer davon ist der nur wenige Kilometer westlich der Stadt Osorno gelegene Vulkan Puyehue. Am 4. Juni dieses Jahres ist er, nach über 50-jähriger Pause, erneut ausgebrochen. Als wir vier Monate nach diesem Ausbruch in Richtung Argentinien fuhren, wollten wir es kaum glauben, aber der Puyehue war noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Eine riesige Rauch- und Aschesäule stand über dem Berg und ließ uns erahnen, wie viel Energie der Vulkan noch immer freisetzte. Je näher wir dem Vulkan kamen, um so dichter wurde der Staub auf der Straße und im Nationalpark Puyehue lag alles unter einer dicken hellen Ascheschicht.

Im Nationalpark kamen wir mit Enrico, dem Betreiber der Hosteria, ins Gespräch. Er war Augenzeuge des Ausbruchs und berichtete uns von der gewaltigen Eruption, die innerhalb von fünf Stunden 100 Millionen Tonnen Asche, Sand und Bimsgestein mehrere Kilometer in die Höhe geschleudert hat. Dafür war eine Energie erforderlich, die der von 70 Atombomben entsprach, so die Berechnung argentinischer Wissenschaftler. Bis nach Australien waren die Auswirkungen zu spüren, so musste zum Beispiel in Perth der Flughafen geschlossen werden - aber die schlimmsten Auswirkungen verzeichnete man in unmittelbarer Nähe des Vulkans. Eine Fläche von über 700.000 Quadratkilometern war betroffen. In manchen Regionen sah es aus wie im Winter nach Neuschnee. Bäume, Straßen, Häuser, Vorgärten - alles war mit einer dichten hellgrauen Ascheschicht bedeckt. Noch schlimmer als in Chile waren die Auswirkungen in Argentinien. Die Gegend um Bariloche lebt fast ausschließlich vom Tourismus, jetzt war alles trostlos und grau. An vielen Restaurants und Pensionen sahen wir ein „SE VENDE-Schild“. Es war sicher der schlechteste Zeitpunkt zum Verkaufen, aber die Not zwang die Menschen zum Handeln. Auch die Viehwirtschaft litt unter dem Vulkanausbruch. Mehrere 100.000 Schafe sind in Argentinien verendet, weil sie die Last der Asche nicht mehr tragen konnten oder kein Futter mehr fanden.

Im chilenischen Osorno verzeichnete man dagegen ein anderes Phänomen. Jeden Abend kamen Tausende bunte Choroy, eine chilenische Papageienart, aus den betroffenen Andengebieten in die Parks der Stadt geflogen, weil sie keine Nahrung mehr fanden. Am nächsten Morgen flogen sie, ihrem inneren Orientierungssinn folgend, zurück, und am Abend waren die Bäume in den Parks von Osorno wieder von unzähligen Vögeln grellbunt gefärbt.

Vor knapp zwei Jahren waren wir indirekt von der Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull betroffen. Damals wurde der Flug unserer Tochter nach Mexiko gestrichen und wir haben das Geschehen aufmerksam verfolgt. Dass wir eine ähnliche Naturkatastrophe so hautnah erleben würden, hätten wir uns damals nicht vorgestellt.