Dienstag, 24. Mai 2011

13.02.2011 – 31.03.2011: Ecuador – kleines Land mit großer Vielfalt


14.02.2011 – Bei Graham in Ibarra

Die Grenzpassage zwischen Kolumbien und Ecuador war die unkomplizierteste unserer bisherigen Reise. Der Grenzbeamte füllte sogar das Einreiseformular für uns aus und die Fahrzeugeinfuhr war nach weniger als 10 Minuten erledigt. Auf kolumbianischer Seite war die Grenze durch schwerbewaffnetes Militär gesichert, hier in Ecuador machte alles einen freundlichen und zivilen Eindruck.

Kurz hinter der Grenze dann die nächste positive Überraschung. Gleich an der ersten Tankstelle in Ecuador wollten wir tanken. Da es in Grenznähe immer etwas teurer ist, meinte Petra, ich sollte erst mal nur für 20 US-Dollar tanken. Nach reichlich 19 US-Dollar schaltete die Zapfpistole ab. Es war unglaublich, der Tank war voll. Hier in Ecuador kostete die Gallone Diesel (also knapp vier Liter) gerade mal einen US-Dollar. Eine tolle Begrüßung in einem Land, das uns in den folgenden Wochen immer wieder positiv beeindruckt hat.

Auf ordentlichen Straßen fuhren wir bis Ibarra, der ersten größeren Stadt im Norden Ecuadors. Hier wollten wir uns einige Tage aufhalten, um wieder Ordnung in „Haushalt“ und „Büro“ zu bekommen. Zuviel war in den letzten Wochen liegen geblieben und bei Graham war der beste Platz, um diese Dinge zu erledigen. Schon in Mexiko hatten wir von Mario und Ingo den Tipp bekommen, unbedingt bei Graham, einem unwahrscheinlich netten Typ, vorbeizufahren. Graham, ein Australier, betreibt seit 6 Jahren oberhalb von Ibarra eine Gärtnerei. Selbst früher viel gereist freut er sich jetzt über Besuch von Travellern in seinem kleinen Paradies.

Zwischen gepflegten Rasenflächen mit kunstvoll geschnittenen Koniferen und Ziersträuchern fanden wir einen idealen Stellplatz mit Strom, Wasser, Internet, Dusche, Küchen- und Waschmaschinenbenutzung. Für Rucksackreisende hat er ein uriges Gästezimmer eingerichtet – und für das alles nimmt er kein Geld. Wir fühlten uns sehr wohl, und als er uns für einen Ausflug sein Motorrad anbot und seinen Pickup überließ war uns klar, Graham ist ein ganz besonderer Mensch. Darauf angesprochen wurde er verlegen und meinte, das sei doch ganz normal.

Wir haben uns für seine Gastfreundschaft mit kleinen Geschenken, einer Einladung zum Abendessen in ein gutes Restaurant und mit vielen gemeinsamen Abenden bei deutscher Küche, Bier und Wein am Lagerfeuer, bedankt. Grahams Gastfreundschaft hat sich gut rumgesprochen, und so waren wir selten allein in der Gärtnerei. Die längste Zeit verbrachten wir mit Daniela und Armin, zwei Deutschen, die mit ihren Rädern von Caracas gekommen sind und sehr anschaulich von ihren bisherigen Erlebnissen berichteten.

Ohne solch ein schützendes Zuhause, wie es unser Hobby uns bietet, waren sie ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Am Lagerfeuer erzählten sie uns, wie sie, statt in einem Hotel in einer Stundenabsteige gelandet sind und von ihrer Fastentführung in Kolumbien. Bei solchen Gesprächen können wir nur zuhören, zu berichten haben wir nichts dergleichen, unsere bisherige Reise verlief in dieser Hinsicht glücklicherweise sehr unspektakulär.

Als Petra am Morgen mit starken Zahnschmerzen aufwachte, war es auch wieder Graham, der uns sofort in die Stadt zu seinem Zahnarzt fuhr und ihr einen Termin besorgte. Mit offenem Mund lag sie auf dem Behandlungsstuhl, als der Zahnarzt mich dazuholte. Er zeigte mir die Schmerzursache, veranschaulichte am Computer die möglichen Behandlungsmethoden und sprach alles mit mir ab. Petra, um die es hier ging, wurde überhaupt nicht gefragt. Als ich ihr alles erklärte sah mich der Arzt zweifelnd an. In seiner Machowelt hat eine Frau selbst dann kein Mitspracherecht, wenn es um ihren eigenen Körper geht.

Die Tage bei Graham vergingen wie im Flug. Wir genossen es, mal nicht immer unterwegs zu sein, sondern einige Tage am selben Ort zu verbringen. In letzter Zeit hatten wir uns regelmäßig solch eine Auszeit gegönnt und diesen Reiserhythmus werden wir auch in Zukunft beibehalten.

Wir hatten genügend Zeit, um uns im Internet über unseren geplanten Galapagostrip zu informiert und mit Grahams Hilfe eine Betreuung für Basko zu finden. Unser Wohnmobil konnten wir für diese Tage auch bei Graham stehen lassen. Einen sichereren Platz gab es wohl kaum.

Mit mehreren tausend Dollar in bar bin ich dann nach Quito gefahren, um unsere, im Internet gebuchte Last Minute Reise zu bezahlen – und dann war mir plötzlich unwohl. Ich hatte bei der Reiseagentur eigentlich kein schlechtes Gefühl, aber was ist, wenn es doch Betrüger sind. Das Bezahlen mit Kreditkarte wäre viel sicherer gewesen – aber die hohen Gebühren von fast 10% hatten wieder einmal meine Sparsamkeit geweckt. Hoffentlich geht alles gut.

04.03.2011 – Galapagos – einmalige Tiere und Natur pur

Unser Basko sah uns ungläubig an, hier soll ich bleiben schien er zu denken. Die Hundepension war eine Dachterrasse, die sich unser Basko mit drei weiteren Hunden teilen musste. Jeder hatte seinen eigenen Bereich, aber ein richtiger Auslauf war nicht vorhanden. Petra hätte Basko am liebsten wieder mitgenommen, aber die Besitzerin der „Hundepension“ versicherte uns, jeden Tag mehrmals mit Basko spazieren zu gehen und ihr Mann, ein Tierarzt, ist bei Bedarf immer vor Ort.

Es gab für uns auch kein zurück, Basko musste die Tage irgendwie überstehen. Mit dem Sammeltaxi fuhren wir nach Quito. Das 4-Sternehotel, eine Promotion-Zugabe des Reiseveranstalters, begeisterte uns durch ausgezeichneten Service und Komfort. Es lag mitten im quirligen Zentrum der Stadt. Am Abend bummelten wir durch die Straßen, in denen unzählige Kneipen und Restaurants auf Gäste warteten. Wir fühlten uns wie in Europa - die Stadt ist hier sauber und modern. Unsere Sorge, schlecht schlafen zu können, war auch unbegründet. Gegen Mitternacht wurde es absolut ruhig in der Stadt.

Am nächsten Morgen lief alles wie geplant. Das Taxi stand pünktlich vor dem Hotel und am Flughafen wurden wir schon mit den Bordkarten begrüßt. Unser Gepäck wurde uns abgenommen und eingecheckt und dann verabschiedete sich der „gute Geist“ schon wieder, um anderen Reisenden behilflich zu sein. Um es schon mal vorwegzunehmen, wir waren mit der Reiseagentur vollauf zufrieden und unsere anfänglichen Befürchtungen waren völlig unbegründet.

Der Flug nach Galapagos hatte noch eine Zwischenlandung in Guayaquil, und so flogen wir von Quito zuerst südwärts, über die ecuadorianische „Strasse der Vulkane“. Von unten oftmals durch dicke Wolken verhangen, konnten wir aus der Luft den 5897 Meter hohen Vulkan Cotopaxi und weitere schneebedeckte Gipfel erkennen. Ab Guayaquil nahm unser Airbus Westkurs, und nach 90 Minuten hatten wir die rund 1000 km vom Festland entfernt liegenden Galapagos-Inseln erreicht.

Kurz vor der Landung wurden aller Handgepäckfächer im Flugzeug geöffnet, eine Maßnahme, die ich erst nicht verstanden habe. Dann kamen die Stuarts mit großen Sprühflaschen und nebelten alles ein. Diese Desinfektion und ähnliche Maßnahmen nach der Landung sollen das empfindliche Ökosystem der Inseln schützen, aber seit langem steht fest, dass die jährlichen 170.000 Besucher eine ernstzunehmende Gefahr für die einmalige Pflanzen und Tierwelt darstellen. Seit 2007 stehen die Inseln auf der Roten Liste des gefährdeten UNESCO-Welterbes.

Mit diesen Gedanken im Kopf erreichen wir unser schwimmendes Hotel für die nächsten Tage, den Luxus-Katamaran „Anahi“.

Bei der Kabinenvergabe gab es wieder eine Überraschung für uns. Trotz unserer relativ günstigen Last-Minute-Buchung bekamen wir die Suite des Schiffes zugeteilt. Also auch hier alles bestens. Schon am ersten Nachmittag ging es auf Erkundungstour am Bachas Beach der Isla Santa Cruz. Seelöwen, Land- und Wasserleguane und viele verschiedene Seevögel leben hier. Obwohl dieser erste halbe Tag eher zur Einstimmung gedacht war, begeisterte uns die Tierwelt schon sehr. Besonders die fehlende Scheu der Tiere war beeindruckend. Sie rissen nicht aus, wenn wir uns ihnen näherten und wir hätten die freilebenden Tiere sogar streicheln können – was wir natürlich nicht gemacht haben. Es ist streng verboten. Der erste Schnorchelgang vom Strand aus war dann doch mehr eine Übung. Viel sahen wir dabei nicht, was sich in den nächsten Tagen aber änderte.

In ruhiger See fuhren wir ab Mitternacht zur Isla Genovesa, der nördlichsten Insel des Archipels, die besucht werden darf. Gegen 6 Uhr, also noch vor dem Frühstück, starteten wir in angenehmer Morgenkühle unsere Inselexkursion. Die raue Landschaft der vulkanischen Insel war sehenswert, aber wir waren vor allem wegen der Tiere hierher gekommen. Auf vielen Inseln gibt es Tierarten, die dort endemisch sind, also nur auf dieser einen Insel vorkommen. Dazu zählen vor allem die Riesenschildkröten, bestimmte Arten der Leguane und einige Vogelarten. Auf der Isla Genovesa gibt es eine große Rotfußtölpelkolonie und viele Fregattvögel. Lustig kamen die Tölpelbabys daher. Wie in einen weißen Pelzmantel mit Kapuze gehüllt, saßen sie im Nest und warteten auf das Erwachsenwerden. Die Fregattvögel-Männchen waren zum Teil hinter ihrem aufgeblasenen roten Kehlsack, mit dem Sie den schlichter daherkommenden Weibchen imponieren wollten, kaum zu erkennen.

Nahe der Insel Genovesa liefen wir dann einen guten Schnorchelplatz an. Wir schwammen zwischen unzähligen bunten Fischen, die wir fast mit der Hand fangen konnten - und dann kamen die neugierigen Seelöwen und versuchten mit uns zu spielen. Sie schossen direkt auf uns zu und bekamen im letzten Moment noch die Kurve. Einige waren so zahm, dass wir sie anfassen konnten. Unter Wasser ist es erlaubt und schadet den Tieren nicht. Mit einmaligen Eindrücken kamen wir zurück auf die „Anahi“ und freuten uns auf das Abendessen. Es sollte an diesem Abend etwas ganz Besonderes geben, eine Auswahl an verschiedenen Fleischsorten, Fischen und Meerestieren. Ich glaube heute noch, dass es ein geschickt eingefädelter Trick der Crew war, denn zwei Stunden vor dem Dinner haben wir in stürmischer See die Anker gelichtet. Unser Katamaran schlingerte gewaltig bei dem starken Seegang und setzte immer wieder hart auf den Wellen auf. Petra ging es miserabel und auch viele andere Mitreisende hatten Probleme. Von 15 Passagieren waren gerade mal vier zum Abendessen erschienen. Da blieb genug für die zehnköpfige Crew übrig.

Nach Mitternacht hatten wir die windgeschützte Bucht vor der Isla Plaza erreicht und konnten noch einige Stunden schlafen. Die Isla Plaza und die daneben liegende Isla Santa Fe sind bekannt für ihre endemischen Leguane. Diese Spezies gibt es nur hier und sie sahen wirklich aus wie aus einer anderen Zeit. Es sind echte Urechsen, mit einem Rückenkamm und stacheligem Nacken. Ihre Gesichter sahen manchmal aus, als ob sie schmunzelten. Ich empfand diese Reptilien als die schönsten Tiere von Galapagos. Sie waren so fremd und geheimnisvoll, so unwirklich und doch real.

An manchen Stränden konnten wir kaum mit dem Boot anlanden, weil so viele Seelöwen und Pelzrobben den Strand bevölkerten. Wenn wir ihnen zu nahe kamen, dann haben sie uns unmissverständlich klar gemacht, wer hier der Hausherr und wer der Gast ist. Da hieß es schnell die Flucht ergreifen.

An den nächsten Tagen setzte sich das Programm in ähnlicher Weise fort. Exkursionen auf den verschiedenen Inseln und in der Mittagshitze die interessanten Schnorchelausflüge im kühlen Wasser - so verging die Zeit viel zu schnell.

Von der Isla San Cristobal startete dann, nach sechs Tagen, unser Flieger zurück nach Quito. Trotz der hohen Kosten waren wir froh, diesen Trip gemacht zu haben. Es war absolut beeindruckend und hochinteressant. Sicher werden in den nächsten Jahren, wenn der Schutz dieses einmaligen Naturwunders höher stehen wird als der Kommerz, größere Restriktionen den Besucherandrang reduzieren. Vielleicht wird es dann gar nicht mehr möglich seien, die Inseln zu besuchen.

13.03.2011 – Mitad del Mundo - der Mittelpunkt der Welt?

Zurück in Ibarra erlösten wir als erstes unseren Basko aus seinem „Hundegefängnis“. So schlecht scheint es ihm aber doch nicht gegangen zu sein, denn er hatte in den wenigen Tagen sichtlich zugenommen. Noch zwei weitere Tage blieben wir bei Graham, dann hielten wir es kaum noch aus. Wir wollten endlich weiterfahren. Auf dem Weg nach Quito überquerten wir, nun schon zum wiederholten Male, den Äquator. Nahe der kleinen Gemeinde San Antonio de Pichincha wurde das berühmte Äquatordenkmal „Mitad del Mundo – Mittelpunkt der Welt“ errichtet. Inmitten von Restaurants und touristischen Verkaufsstellen steht es genau an der Stelle, die im Jahre 1736 von einer französischen Expedition als genaue Position des Äquators bestimmt wurde. Eine gelbe Linie markiert den angeblichen Äquator, und vielen Besuchern des Monuments machte es Spaß, mit einem Schritt von der Süd- auf die Nordhalbkugel zu wechseln oder breitbeinig auf beiden Hälften der Erde zu stehen. Die Fotoapparate klickten und die Beschriftung wies die Linie als nullten Breitengrad aus. Nur wenige wissen, dass der wirkliche Äquator über 200 m weiter nördlich verläuft. Die französischen Forscher hatten eine leicht fehlerhafte magnetische Messmethode verwendet und sich schlichtweg vermessen.

Am wirklichen Äquator steht das sehr interessante Museo de Sitio Inti Ñan, das von einer privaten anthropologischen Stiftung betrieben wird. Verblüffend ist die Tatsache, dass die indianischen Ureinwohner den genauen Verlauf des Äquators kannten. Einige ihrer einfachen geographischen Messgeräte sind hier ausgestellt. Noch unglaublicher ist, dass selbst in der Pre-Inka-Zeit der genaue Verlauf des Äquators bekannt war. Ein über 1000 Jahre altes Bauwerk, welches den exakten Verlauf des Äquators markiert, wurde vor wenigen Jahren auf dem Berg Catequilla entdeckt.

Neben den Exponaten indianischer Kulturen konnten wir auf dem Museumsgelände auch Äquatorexperimente durchführen. Das durch einen Trichter abfließende Wasser hat wirklich auf der Südhalbkugel eine andere Strudelrichtung als auf der Nordhalbkugel. Genau auf der Äquatorlinie fließt das Wasser ganz glatt durch die Öffnung ab. Diese, von Coriolis entdeckte Gesetzmäßigkeit ist auch der Grund dafür, dass es am Äquator fast immer windstill ist. Ein Fluch für die Seefahrer in früheren Zeiten.

Auch das Aufstellen eines Hühnereies auf einen Nagel wäre am Äquator, durch den sich aufhebenden Magnetismus, leicht zu bewältigen – aber das ist auch eine Unwahrheit. In Wirklichkeit schafft es kaum jeder zehnte, das Ei auszubalancieren. Genau so schwierig war das Balancieren mit geschlossenen Augen auf der Äquatorlinie – eine fast unlösbare Aufgabe. Wir liefen rum wie betrunken und konnten kaum einen Schritt vor den anderen setzen.

Mit diesen lustigen Eindrücken verlassene wir das etwas versteckt liegende Museo de Sitio Inti Ñan. Ohne dieses Museum hätte sich die Fahrt zum Mitad del Mundo nicht gelohnt.

15.03.2011 – Quito - schöne Stadt mit schlechtem Ruf

Noch auf der Fahrt nach Quito waren wir unentschlossen, ob wir uns diese chaotische Großstadt antun wollen, oder ob wir die Stadt auf der westlichen Umfahrung schnell hinter uns lassen. Quito ist, neben Guayaquil, die gefährlichste Großstadt Ecuadors. Neben den wenigen Superreichen, die sich in ihren gut bewachten Wohngebieten verbarrikadieren, leben in der Stadt und vor allem am Stadtrand hunderttausende arme Menschen, deren einzige Überlebenschance in der Kriminalität besteht. Auf Grund der Überfüllung aller Gefängnisse in Ecuador wurde die Kriminalitätsschwelle bei 300 US $ festgelegt. Alle Eigentumsdelikte unter 300 US $ werden nicht verfolgt. Solch ein Freibrief macht die Stadt bestimmt nicht sicherer und ist ein Beleg für die Unfähigkeit von Polizei und Justiz.

Trotz dieser Insiderinformationen von Graham und seinen Warnungen, besonders vorsichtig zu sein, haben wir uns dann doch für Quito entschieden. Die Stadt, in 2850 Meter Höhe gelegenen, zwängt sich in ein schmales, nur wenige Kilometer breites Hochtal. Die Nord- Süd-Ausdehnung beträgt dafür fast 50 km. Unsere anfänglichen Bedenken, wegen des chaotischen Verkehrs, waren unnötig. Auf breiten Straßen mit guter Fahrbahnmarkierung und Ampelregelung rollten wir in die Neustadt und fanden auch schnell einen 24-Stunden Parkplatz, auf dem wir für die nächsten zwei Tage sicher stehen konnten.

Den Nachmittag haben wir genutzt, um die Neustadt (Mariscal) zu erkunden. Interessant war für uns, dass nach Einbruch der Dunkelheit kein Auto mehr am Straßenrand geparkt wurde. In der Nacht hörten wir in der Ferne Polizeisirenen und vereinzelte Schüsse. Die Hinweise zur Sicherheit waren wohl doch berechtigt.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Metrobus in die Altstadt. Der Bus war brechend voll und wir wussten, dass dies die beste Voraussetzung für die Diebe und Taschenaufschlitzer ist. Wir versuchten, mit dem Rücken an der Wand des Busses zu stehen und hatten unseren auf die Brust geschnallten Rucksack fest im Griff. Trotzdem waren wir froh, an der Endstelle unbeschadet angekommen zu sein.

Die Altstadt war durch starke Präsenz der Touristenpolizei weitestgehend sicher. Trotzdem wurden wir bestimmt zehnmal von Polizei und Zivilisten angesprochen, unsere Kamera nicht offen zu zeigen, was natürlich nicht ganz leicht ist, wenn man fotografieren möchte. Und in Quitos Altstadt gab es viel zu besichtigen und zu fotografieren. Seit 1979 steht das Centro Historico auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes, und seit der Jahrtausendwende wurde noch mal vieles grundlegend rekonstruiert. Viele Baudenkmäler Quitos, meist sind es Kirchen, Klöster und katholische Orden, stammen noch aus der spanischen Kolonialzeit. Den Mittelpunkt der Altstadt bildet die Plaza de la Independencia, um die sich die Kathedrale, der Regierungspalast, der Palast des Erzbischofs und das Rathaus platzieren.

Seit dem frühen Morgen lief ein Demonstrationszug durch die Stadt, Ziel war der Präsidentenpalast. Hier wurden Fahnen geschwenkt und wir hörten vereinzelte Sprechchöre. Insgesamt hatte diese Demonstration aber eher Volksfestcharakter. Die Teilnehmer packten ihre Picknickkörbe und Kühltaschen aus, sie standen in kleinen Gruppen zusammen, diskutierten und ließen es sich schmecken.

Wir ließen den Platz mit den Demonstranten hinter uns, besichtigten Kathedrale und Nationalmuseum und bummelten durch das Gassengewirr der Altstadt. Zwei architektonische Leckerbissen hatten wir uns noch aufgehoben. Die Kirche San Francisco mit dem angeschlossenen Kloster gilt als größter und ältester Sakralbau der kolonialen Epoche Quitos. Die Wände und Säulen sind vollständig mit reich verzierten Holztäfelungen verkleidet. Leider wurde die Kirche gerade rekonstruiert, und so konnten wir nur einen flüchtigen Blick durch ein Seitentor und von der Empore aus in die Kirche werfen.

Anders bei der Jesuitenkirche La Compañía de Jesús. Hier war alles für uns zugänglich – jedoch mit der Einschränkung, dass Fotos nicht erlaubt waren. Wie soll ich mit diesem Verbot den nicht mehr steigerungsfähigen Glanz in dieser Kirche dokumentieren. Der gesamte Kircheninnenraum ist, mit Ausnahme der steinernen Säulenverzierungen, komplett mit 23-karätigem Blattgold belegt. Über sieben Tonnen Gold sollen verwendet worden sein. Wenngleich es etwas überladen wirkt ist der Prunk in dieser Kirche einmalig. Natürlich habe ich trotz Verbot einige Schnappschüsse ohne Blitz gemacht, sodass man einen Eindruck von dieser verschwenderischen Golddekoration bekommt.

Wir wollten unser Glück in Quito nicht überstrapazieren und haben uns für die Heimfahrt ein Taxi genommen. Quito war auf alle Fälle einen Besuch wert.

19.03.2011 – In Amazonien

Wir kamen recht gut aus Quito raus, wenn auch nicht ganz legal. In südöstlicher Richtung haben wir einen Tunnel durchfahren, der für unser Wohnmobil verboten war. Das erfuhren wir aber erst an der Mautstation am Tunnelausgang. Wir stellten uns mal wieder unwissend und verstanden natürlich kein Wort. Der Polizist gab es bald auf und wünschte uns eine gute Fahrt. Durch Quitos Vorstädte fuhren wir weiter in Richtung Oriente, wie der Osten des Landes hier genannt wird. Dann stieg die Straße bis auf 4000 m an, unser bisheriger Höhenrekord. In einem schönen Tal, umgeben von teilweise schneebedeckten Bergen, liegen die Thermen von Popallacta. Hier verbrachten wir den ganzen Nachmittag in den unterschiedlich temperierten Becken des Thermalbades. Ich war danach so ausgelaugt, dass mir schon ein kleines Bier in den Kopf gestiegen ist. Nach einem leckeren Abendessen, Petra hatte die letzten eingefrorenen Forellen aus Silvia gebraten, sind wir noch einmal in die Therme gegangen. Es war schon dunkel und wir waren fast die einzigen Badegäste um diese Zeit. Alles war stimmungsvoll und sparsam beleuchtet und der Sternenhimmel über uns leuchtete mit ganzer Kraft. Gut, dass wir mit unserem Wohnmobil direkt neben der Therme standen, so dass wir dann schnell in unser warmes Bett steigen konnten.

Am nächsten Tag fuhren wir durch eine herrliche Bergwelt, immer an reißenden Gebirgsflüssen entlang, in Richtung Regenwald. Es wurde zunehmend feucht und neblig. Der Wald wirkte sehr exotisch, er zeigt sich in einer fast unwirklich grünen Farbe mit dicken Nebelschwaden in den Tälern. Der wolkige Himmel war durch das Abendlicht rötlich gefärbt.

In Misahualli, einem etwas trostlosen Dschungeldorf, beginnt das große Amazonasbecken. Hier fließt der Rio Misahualli in den Rio Napo, der dann in Peru in den Amazonas mündet. Auf dem Marktplatz trieben freche Affen ihr Unwesen, deren schönste Beschäftigung es war, den Touristen das Essen, ihre Brille oder Ihre Mütze zu stehlen und diese Dinge mit hoch in die Bäume zu nehmen. Unter den erschrockenen Blicken der Bestohlenen wurde dann alles so weit zerlegt, bis es unbrauchbar war. Wir wussten von der Unart dieser Affen und haben keinen an unser Eigentum herangelassen.

Über eine schmale Hängebrücke, gerade mal so breit, dass wir mit unserem Hobby durchkamen, überquerten wir den Rio Napo und fanden einen Stellplatz in einer kleinen Dschungel-Lodge. Der nächste Morgen begrüßte uns mit Regen – typisch Regenwald. Wir gingen in den Ort, um uns über Dschungeltouren zu informieren. Eine Tagestour auf dem Rio Napo sollte für uns zwei 150 US Dollar kosten – zu viel für diese Tour. In einem Hostal trafen wir Sonja und Thomas, zwei deutsche Backpacker. Im Gespräch wurde die Zeit nicht lang und dann hörte der Regen endlich auf. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, vielleicht können wir selbst eine Tour organisieren.

Für den Abend hatten wir uns etwas ganz Besonderes vorgenommen. Wir gingen mit Leo, einem Indio, in den Dschungel. Es ist unglaublich, wie viele Pflanzen und deren Wirkung er kannte. Für fast jedes Leiden wächst im Dschungel ein Kraut. Dann sahen wir Schmetterlinge, riesige Heuschrecken, Taranteln und eine kleine Boa. Die Geräusche im nächtlichen Regenwald waren einmalig.

Am nächsten Tag trafen wir uns mit Sonja und Thomas. Wir haben uns gemeinsam ein Motorkanu gemietet und unsere kleine Tour auf dem Rio Napo selbst organisiert. Mit 60 US Dollar für das ganze Boot bezahlten wir nur 1/5 von dem, was die Reiseagentur uns abknöpfen wollte. Wir fuhren auf dem Rio Napo flussabwärts, vorbei an kleinen Siedlungen der Indianer, zur Tierauffangstation Amazoonico. Hier hat sich die Schweizerin Angelika Raimann, zusammen mit ihrem ecuadorianischen Ehemann, einen Lebenstraum erfüllt. In einem kleinen Freilandzoo, umgeben von 600 Hektar Primärwald, werden gefährdete Tiere aufgezogen und wenn möglich wieder ausgewildert. Viele dieser Tiere, darunter Tapire, ein Ozelot, verschiedene Affen, Schlangen, Krokodile und exotische Vögel, wurden nicht artgerecht als Haustiere gehalten oder vom Zoll beschlagnahmt. Der illegale Tierhandel ist immer noch ein einträgliches Geschäft. Manche Tiere müssen immer in Amazoonico bleiben. Sie haben sich schon so sehr an die Menschen gewöhnt, dass Sie in der Wildnis nicht überleben würden.

Auf der Rückfahrt besuchten wir noch ein typisches Dschungeldorf. Der Dorfschamane bot uns seine Dienste an. Eine Reinigungsprozession würde aus uns ganz neue Menschen machen. Ich dachte sofort, das wäre ja das Richtige für Petra – aber sie lehnte ab. Schade! Zurück in unserer Dschungel-Lodge sitzen wir noch lange bei Kerzenlicht vor dem Wohnmobil und lauschen den exotischen Geräuschen des Regenwaldes.

24.03.2011 – Südliches Ecuador

Unserer Abfahrt in Misahualli verzögerte sich dann doch noch ganz ungewollt. Durch den tagelangen Regen war die Wiese, auf der wir standen, stark aufgeweicht und unser Wohnmobil schon 10 cm eingesunken. Die Räder drehten sich durch, das Profil setzte sich mit Schlamm zu und unser Hobby wühlte sich immer tiefer in den weichen Boden. Es ist mir bis heute ein Rätsel, woher plötzlich die 10 bis 12 Männer kamen, aber Leo hatte unser Problem erkannt und diese Mannschaft zum Schieben zusammengetrommelt. Ehe ich mich versah waren die Räder freigeschaufelt, Steine untergebaut und unser Wohnmobil mit vereinten Kräften rausgeschoben. Ich schreibe dies deshalb so ausführlich, weil es ganz typisch für Lateinamerika ist. Man hilft sich untereinander und diese Hilfsbereitschaft erlebten auch wir als Ausländer und Gäste immer wieder.

Die weitere Fahrt durch das südliche Ecuador zeigte uns noch mal die Schönheit und Vielfalt dieses Landes. Schneebedeckte Berge, Schluchten und Täler, Wasserfälle und reißende Flüsse. In Baños, einem Wallfahrtsort, umgeben von hohen Bergen und Vulkanen, verbrachten wir noch einige Tage. Das angenehme Klima in 1800 Meter Höhe, die warmen Thermalquellen der Stadt und die außergewöhnliche schöne Landschaft machten Baños zu einem gefragten Touristenort. Der über der Stadt thronende Vulkan Tungurahua stellt seit einigen Jahren wieder eine echte Gefahr dar. Im Oktober 1999 musste die Stadt sogar komplett evakuiert werden. Seit dieser Zeit ist er immer aktiv gewesen, aber weder Touristen noch Einwohner lassen sich davon stören.

Das touristische Angebot in Baños ist einzigartig in Ecuador. Die unzähligen Agenturen haben alles im Angebot, was Erholung, Abenteuer oder auch den gewissen Kick bieten soll. Diesen Kick erlebte die Dresdner Studentin Julia, die wir beim Bungee Jumping trafen, ganz sicher. Sie schwärmte von dem einmaligen Adrenalinstoß und versuchte mich zum Springen zu überreden. Ein einziger Blick über das Geländer der Brücke San Francisco und der Gedanke, hier runter springen zu müssen ließen meine Knie weich werden. Nein, ich bin nicht gesprungen. Stattdessen sind wir an diesem Nachmittag mit einem geländegängigen Buggy zum Vulkan Tungurahua gefahren. Es war eine tolle Fahrt. Ohne auf Steine, Querrinnen oder Löcher zu achten, konnte ich einmal so fahren, wie es mir Spaß macht. Leider versteckte sich der Tungurahua hinter dichten Wolken. Zurück im Hotel Monte Selva, wo wir einen guten stadtnahen Stellplatz hatten, aalten wir uns noch ein letztes Mal im mineralhaltigen Vulkanwasser der hoteleigenen Therme.

Auf unserer weiteren Fahrt durch den landschaftlich einmaligen Süden Ecuadors kamen wir nach Vilcabamba. Hier führen die zwei deutschen Brüder Dieter und Peter Schramm eine Hosteria, die ihresgleichen sucht. Auf einem naturbelassenen Grundstück über dem Ort haben sie ein Panoramarestaurant, idyllische Cabañas und einen Wohnmobil-Stellplatz gebaut. Alles war gepflegt und sauber und im Restaurant gab es deutsche Gerichte und deutsches Bier – also mehr als ein Grund, einige Tage hier zu verbringen. Etwas traurig verabschieden wir uns nach drei Tagen von Dieter und seiner Mutter, die gerade einige Wochen hier zu Besuch war. Sie waren nette Gastgeber und interessante Gesprächspartner.

Unserer Zeit wurde langsam knapp, wir hatten nur noch zehn Tage, um bis nach Lima zu fahren. Unsere Tochter Katharina würde es uns nicht verzeihen, wenn wir sie nicht pünktlich am Flughafen abholen würden. Auf den letzten Kilometern bis zur Grenze wurde uns noch einmal bewusst, wie schön Ecuador ist. Obwohl nur ein kleines Land, besticht es mit einer landschaftlichen Vielfalt, die wir so bisher kaum erlebt haben. Dazu kommt, dass Ecuador ein relativ sicheres, sauberes und geordnetes Land ist. Nicht ohne Grund haben auch viele deutsche Auswanderer Ecuador zu ihrer zweiten Heimat gemacht. Wir haben uns in Ecuador sehr wohl gefühlt, uns sogar etwas in dieses Land verliebt.